Die Sage vom „Fliegenden Holländer“ handelt von einem vom Fluch verdammten Kapitän, der bis zum jüngsten Tag mit seinem Gespensterschiff auf dem Meer herumirrte. Unser Holländer ist ein fliesender Holländer, der zwei Minuten nach Senken der Startflagge am Ziel angelangt ist. Des Rätsels Lösung: Ein Fliesenleger namens Holländer lässt seinen Kadett durch die Pylonen fliegen.

Warum ausgerechnet Kadett E und nicht das imageträchtige C-Coupé? „Weil ich von Grund auf ein Kadett E Fan bin“ erklärt Michael Holländer seine Begeisterung für die zweite Kadett-Generation mit Frontantrieb. Ein 75 PS starker Kadett E machte den Anfang und viele weitere Kadetten gingen durch seine Hände, unter anderem ein Kadett E Gsi. Eines schönen Freitags parkte er den Gsi gewaltsam im Wald ein. Über 12 Jahre genoss er den Sechzehnventiler und nun hatte er diesen unfreiwilligen Abschied zu verschmerzen. Sein erster Blick verdeutlichte ihm, dass diese Havarie nur noch für den Schrottplatz taugt. Wie lindert man Abschiedsschmerz? Bereits am folgenden  Tag begab er sich auf die Suche nach einem „neuen“ Kadett E und fand tatsächlich das geeignete Basisfahrzeug: Ein Rentnerauto mit 1,3 Liter Motor und Automatik, komplett rostfrei und keine 34.000 Kilometer auf der Uhr. Vom ersten Augenblick an war das Schicksal des Kadetten vorbestimmt. Ein Slalomfahrzeug sollte es werden. Ein ultraleichtes und pfeilschnelles Renngerät, das zwischen den Pylonen um Bestzeiten kämpfen muss.

In Teamarbeit mit seinem Kumpel Philipp Sollmann plante und realisierte Michael den Aufbau. Der Kadett wurde zunächst regelrecht ausgeweitet. Nichts außer der nackten Rohkarosse blieb stehen und der erste Eindruck täuschte nicht. Das knapp 25 Jahre alte Fahrzeug kann keinen Winter von Außen gesehen haben, so dermaßen perfekt erhalten zeigten sich die üblichen Stellen frei von jeglichen Rost. „Sogar die Schweller waren wie neu“, erinnert er sich.

Maximal 15 Zoll Räder mit 195/50er Bereifung sah Opel für den E in der Gsi-Version vor, da galt es die Radhäuser durch Ziehen der Radläufe und Umlegen der Kanten vorzubereiten. Ultraleichte 7×17 Zoll Dynamics Rennsportfelgen mit Michelin Slicks in 210/60×17 benötigen ausreichend Raum zum Einfedern, womit auch die Radhaus-Innenschalen nicht mehr verwendet wurden. Die originale Optik der waagrecht verlaufenden Radläufe an der Hinterachse sollte unbedingt beibehalten werden. Ein angedachtes Einschweißen runder Läufe wurde ad acta gelegt. Die Sponsorenbeklebung kann unter „unbezahlt, aber sportlich“ abgehakt werden.

Um das Leergewicht von  970 Kilogramm (vollgetankt) zu erreichen, wurde für Rennsport unnötiges Klimbim im Innenraum geopfert. Im Heckraum des zum 2-Sitzer abgerüsteten Kampfgeräts herrscht Leere, erst vor der Domstrebe findet man ein Hängenetz für Renn-Utensilien. Selbstverständlich entsprechen Wiechers-Stahlkäfig, das geschüsselte Luisi-Volant sowie die Sparco Vollschalen den Anforderungen eines Slalom-Renners. Die Tachoeinheit lässt altgediente Gsi-Fans aufhorchen. Die erste Serie des im Frühjahr 1988 vorgestellten Kadett GSi 16V war noch mit Analog-Instrumenten ausgestattet, wobei der Drehzahlmesser bis 8000, der Tacho bis 240 reichte. Heute gilt die analoge Tachoeinheit als Rarität und erzielt dementsprechende Preise auf dem freien Markt

Ohne weitere Fremdhilfe wäre die Realisierung des Triebwerks nicht möglich gewesen. In Sachen Motorisierung holte Michael Rat und Tat von einem weiteren Kumpel. Thomas Bauer, seinem Namen gerecht Motorbauer bei Völkl Motorentechnik, hat sich um die Konfiguration des Triebwerks gekümmert. Auf Basis eines aufgebohrten Sintra X22XE Motorblocks in Kombination mit einem modifizierten C20XE 16-Ventil-Zylinderkopf baute man eine rennfähige Kampfmaschine, die bis zu 215 PS leistet. Unterhalb des Ventildeckels entspricht kein Teil mehr dem Serienzustand. Aus finanziellen Gründen streckte sich der Motorbau über Jahre hinweg, in denen Michael unter anderen eine Carbon-Airbox baute. Letztendlich wurde das frei programmierbare Steuergerät von Franz Negratschker perfekt auf Slalom abgestimmt.

Beim ersten Slalom  mit einem KW-Gewindefahrwerk Variante 2 räumte er quertreibend sechs Pylonen auf einen Streich zur Seite. Anstatt diesem von ihm genannten „Eisdielenfahrwerk“ (O-Ton Holländer) schwört er heute auf KW-Kompetition Rennfahrwerk mit härteren Federn und in Zug- und Druckstufe verstellbar. Die geteilten Antriebswellen des Calibra Turbo bringen ein stabileres Lenkgefühl. Trotz verbesserter Performance verlief der Rest der Saison recht unglücklich. Der Slalom im tschechischen Plana fiel dem Starkregen zum Opfer. Und auch in Erbendorf verhinderte die nasse Piste ein besseres Ergebnis. Doch die nächste Saison kommt bestimmt. Dann will er in der Gruppe H15 erste Erfolge feiern.

Opel Kadett E 1,3N LS Automatik (1989)

Motor:  Reihenvierzylinder, auf 2,3 Liter aufgebohrter X22XE-Block (aus Sintra 2,2), bearbeiteter C20XE 16V-Zylinderkopf mit Bronze-Ventilführungen, erleichterte und polierte Kurbelwelle (Ausgleichswellenantrieb komplett entfernt), Spiess H-Shaft Pleuel (350g Formel 3), Omega Schmiedekolben in Domform, 34/30 Ventile 6mm Schaft, Doppelventilfedern, leichte Ventilfederteller, mechanischer Ventiltrieb, 296° Nockenwellen, verstellbare Nockenwellenräder, z20leh Ölpumpe mit großem Ölsaugrohr, C20let-Injektoren, verstellbarer Benzindruckregler, Bosch Hochleistungsbenzinpumpe, Kaul Einzeldrosselklappen-Einspritzanlage DTH (direct to head) in Verbindung mit Eigenbau Carbonairbox, 60mm Carbontrichter 100mm Luftdurchlass, frei programmierbares Steuergerät von Trijekt, Zeitronix Breitbandlambda, ngk Einzelzündspulen, Alu Riemen und Lima Scheibe 6pk, Elektro-Servopumpe (Mercedes), Eigenbau-Domstrebe (Vorlage Wiechers)

Auspuff:  Friedrich Fächerkrümmer, 200 Zellen Metallkat, Supersprint Gruppe A Anlage

Leistung (max): 215 PS (158 kW bei 6800 umin)

Kraftübertragung: modifiziertes F20 Getriebe (GB) mit Lamellensperre, Gang 1-4 kurz, 5. Gang lang übersetzt, geteilte Antriebswellen Calibra Turbo, Vollstahlschwungrad 2.7kg (WKT) mit Sachs Racing Kupplung

Vorderachse:  Einzelradaufhängung, Stabilisator, verstellbare Uniballdomlager mit  Kugelgelagertem Federnhalter von Kreiss Motorsport,

Hinterachse: Verbundlenker-Hinterradaufhängung, Stabilisator, Einzelfederbeine mit Eigenbauhaltern (keine Tonnenfedern mehr), Übersetzung 4.18

Fahrwerk:  KW-Competition in Zug und Druckstufe verstellbar,

Felgen: TeamDynamics pro Race Rennsportfelgen in 7×17 Zoll ET 38 (7.9 kg pro Rad), an HA 5mm Distanzscheiben, Zivil: ATS Streetrallye in 7×17 Zoll ET 40

Bereifung:  Michelin S8 Slicks, Medium Mischung, Kevlar Flanken, 200/61×17, Zivil: 215/40×17 Federal semi Slicks

Bremsen: va: Pontiac GTO Doppelkolben-Alu-Bremssattel, 2.teilige Völkl-Bremsscheiben (296×28) mit Rennbremsbeläge von EBC, ha Scheiben Kadett GSi, Rennbremsbeläge von EBC, Umrüstung auf Stehbolzen

Weitere Extras: Gsi-Motorhaube Gsi-Heckflügel. Kotflügel und Seitenteile um 20mm geweitet, Irmscher Rückleuchten, Schnellverschlüsse, Sponsorenbeklebung (nicht vergütet), Spritzlappen aus Kunststoff (qm-Ware)

Interieur: Umbau zum 2-Sitzer, abgespecktes Interieur, Carbon-Leichtbau-Verkleidung, Sparco Vollschalen, Wiechers Stahlkäfig, geschüsseltes 35cm Luisi-Lenkrad, Zusatzinstrumente inkl.  Lambdaanzeige, Classic Parts Analog-Tacho entsprechend erster Gsi-16V-Serie (8000 Drehzahl, 240 Tacho) Gegensprechanlage, Uniballschalthebel von MK Racing, Wiechers Sport-Domstrebe

ICE: nicht notwendig

Danksagung: Thomas Bauer (Völkl). Philipp Sollmann (Rat und Tat), Franz Negratschker (Trijekt Programmierung und Einbau)

Text & Fotos: Heinz Bauriedel für Opel Flash 2/2017 – reloaded für Tuningcars am 27.März 2021
Fotografiert am 10. Juli 2016 beim Slalom auf dem Flugplatz Speichersdorf