Ob meine Texte für Tuningmagazine von einer künstlichen Intelligenz hätten geschrieben werden können? (Plusquamperfekt Konjunktiv deshalb, weil „meine“ Zeitungen alle verstorben sind). Die Basis meiner Texte beruht(e) ausschließlich auf digitalen MSV-Tonspuren, aufgenommen mittels eines Sony Diktiergerätes. Demnach hätte die KI zunächst meine Interviews mit den Besitzern der Fahrzeuge auswerten müssen. Eine fränkische KI also, die mehr als nur awengla den Dialekt des Landkreis‘ Hof Süd (Landkreis Rehau West klingt besser) verstehen muss. Viele meiner Kandidaten stamm(t)en aus der Oberpfalz. Etzertla hätte die KI beweisen können, was wirklich in ihr steckt. Wahrscheinlich hätte das Wunderwerk der Programmiertechnik zunächst ein Sprachseminar im Schafferhof (Heimat der Altneihauser Feierwehrkapell´n) belegen müssen. Nach ein bis zwei bis drei Maß Zoigl hätten Bits & Bytes wahrscheinlich den kompletten Text im Oberpfälzischen Dialekt geschrieben. Hier der von Andreas Reis aufgebaute Rallye Typ3. Andreas betreibt seine Werkstatt „Reis Service & Racing“ nur wenige Kilometer vom Schafferhof entfernt.
Rallye Korsika für historische Fahrzeuge (Tour de Corse Historique) im Oktober 2013: „Feuer im Motorraum“ funkte das Team Skute/Roet ihrer Servicemannschaft. Als die ersten Feuerlöscher den Brand zu Zähmen versucht hatten, schien es zu spät. Das Heck des 1964er VW 1500 S war sprichwörtlich ausgebrannt und der Volkswagen eigentlich ein Fall für die Verwertung
Warum der 2,1 Liter nur 40 Kilometer vor dem Zieleinlauf Feuer fing, konnte nie geklärt werden. Die Entscheidung des Neuaufbaus fiel jedoch ziemlich schnell, schließlich hatte man ja nur ein knappes Jahr Zeit bis zur 2014er Rallye. Andreas Reis ist Chefmechaniker des Rallyeteams Skandi Travel Group mit einer speziell auf Boxer ausgerichteten Werkstatt. Nach der kompletten Demontage richtet sich der Neuaufbau ausschließlich nach den international geltenden Regeln betreffend Sicherheitszelle, Renntank mit 80 Liter Inhalt und speziellem Rallyezubehör.
Motorsport hatte Volkswagen garantiert nicht im Sinn, als man das Fahrwerk des Typ 3 entwickelte. Zwar besitzt dieser Rallye 1500er wie sein Serien-Pendant eine Vorderachs-Drehstabfederung, mangels Zubehör jedoch formte Andreas Polyurethanlager ausgehend von den originalen Lagern. Oldtimer Veranstaltungen wie die „Korsika“ oder Monte Carlo“, die das Team ebenfalls mehrere Male bestand, sind keine Kaffeefahrten. Bevor man sich überhaupt um Leistungssteigerung kümmern kann, müssen Fahrwerk und Bremsen komplett überarbeitet, wobei einige ungewöhnliche Maßnahmen getroffen werden. Beispielsweise zeigt sich der starke Hinterachsstabi des Peugeot 205 als optimale Maßnahme an der VW-Vorderachse.
Zur gesunden Härte tragen die Spax-Dämpfer bei, an beiden Achsen mit verstellbarer Zug- und Druckstufe ausgestattet. „Mit Sicherheit würde man auch mit einer Pendelachse die Korsika bewältigen“ bemerkt Andreas scherzhaft. Der Umbau auf Schräglenker, in diesem Fall die des VW 1303, gehört zum Pflichtprogramm, da das bärenstarke Triebwerk mit der Pendelachse Katz und Maus spielen würde. Gelochte Scheiben an beiden Achsen, vorbei die Vorderachsscheiben auf der Fräsmaschine gelocht wurden, sorgen für ausreichende Verzögerung: Die Trommelbremsen der Hinterachse sind längst von einer Kerscher-Scheibenbremsanlage ersetzt worden. Die den VW-Lochkreis von 4 x 130mm findet man in den USA vielfältige Angebote an Rädern. Die EMPI Räder in 7×15 besitzen den Vorteil einer geringen Einpresstiefe von 16mm, was die Verwendung von Distanzscheiben unnötig macht. Gute Haltungsnoten dank ausgefüllter Radkästen ohne seitliche Überhänge, in den Staaten „Stance“ genannt, findet hier ohne trickreiche Maßnahmen statt.
Umso mehr ging es dem 1,6 Liter AS41 Typ3-Motorblock an den Kragen. „Man muss zunächst das Gehäuse frei schleifen, damit die Kurbelwelle mit 78,4 mm Hub und die Freigängigkeit der Haarschaftpleuel gewährleistet werden“ erklärt Andreas die ersten Schritte der Hubraumweiterung. Bei den Zylinderköpfen wurden die Ventilführungen ausgepresst und die Ventile für größeren Luftdurchlass frei geschnitten. Die Kompression von 1: 10,9 lässt im Vergleich zur Serie von 1:7.7 lässt erahnen, dass bei dem ehemals 54 PS starken Motor kein Stein mehr auf dem anderen blieb. Zum Erreichen des Ziels einer 3-fachen Leistungsausbeute optimierte Andreas den 44 IDF Webervergaser, ebenso wie die Luftabfuhr durch einen 42mm Fächerkrümmer und CSP Pythonanlage. Ungewöhnlich kraftvoll und kampfeslustig klingt der Boxer, als ob er seine Gegner vom Schlage eines Porsche 911 oder Renault Alpine bereits an der Startlinie einschüchtern möchte. Bei der Gelegenheit frage ich Andreas nach seinem Beruf. Unerwartet fällt die Antwort „Bäcker“, wobei allerdings die Ergänzung „gelernter Kfz-Meister im Bereich Motorinstandsetzung“ nicht lange auf sich warten lässt.
Trotz Ausnutzung aller Ressourcen des Triebwerks blieb Stabilität über Tausende von Rallyekilometern das Maß der Dinge. Die Getriebeglocke des VW Kübels wird aus einem Teil gegossen anstatt verschraubter Platten wie beim Käfer. Phänomenalte Beschleunigung, kombiniert mit einer 75%igen Quaife-Sperre und Short-Shifting lässt sich das Auto fast permanent im Drift bewegen. Allerdings ist bei ungefähr 140 km/h das Ende der Fahnenstange erreicht, womit die lange Gerade nicht zum Lieblingsspielplatz des Volkswagens gehört.
Der Lieblingsspielplatz des Teams Jan Skute und Stein Roed liegt im Volkswagen. Längst im Rentenalter angelangt, macht beiden Nichts mehr Spaß, als mit Altersgenossen bei Internationalen Klassikern in der Gleichmäßigkeitsklasse mitzumischen. Kurz vor dem Motorbrand hatte er letztes Jahr eine Etappe der „Korsika“ für sich entschieden. In diesem Jahr 2014 lief alles Rund. Piloten, Servicemannschaft und Fahrzeug kamen trafen heil wieder in Deutschland ein und die Vorbereitungen sind bereits angelaufen, denn die „Monte“ ruft!
Typ: VW 1500 S, 1964
Motor: 1,6 Liter Typ3 AS41 aufgebohrt auf 2,1 Liter Hubraum, 4-Zylinder Boxermotor
überarbeitete 44 IDF Webervergaser, 044er-Zylinderköpfe, Kanäle mit Saugrohren angeglichen und bearbeitet auf 44mm Einlass, 39mm Auslass, Brennraumbearbeitung, Verdichtung 10,9:1,
Engele W120Nockenwelle, Kipphebelübersetzung 1,25:1 von SCAT, Chrom Molybdän Stößelstangen, Stößel von SCAT, Kurbelwelle 78,4 mm Hub mit Schwungrad erleichtert und gewuchtet, H-Schaft Pleuelstangen, Umbau auf Drehstromlichtmaschine,frei programmierbare Zündanlage123 Ignition Tune,
Leistung: 170 PS bei 6700 umin
Getriebe: 4-Gang Schaltgetriebe VW Kübel mit Quaife-Sperre (ca. 45%) und Cup-Strebe
Auspuff: CSP Pythonanlage mit 42mm Fächerkrümmer
Fahrwerk: VA: verstärkte Drehstabfederung (sway-A-way), Polyurethanlager (Eigenanfertigung) Spax Dämpfer Zug und Druckstufe einstellbar, Stabi von Peugeot 205 (22 mm Durchmesser)
HA: Stahl-Schräglenker (VW 1302/1303), verstärkte Drehstabfederung (sway-A-way), Polyurethanlager (Eigenanfertigung), Spax Dämpfer Zug und Druckstufe einstellbar
Bremsanlage: rundum gelochten Scheiben und Stahlflexleitungen, VA: modifizierte Sere HA: Kerscher Bremsanlage
Felgen: EMPI 7×15 ET 16 (LK 4×130), Bereifung: Semi Slicks 205/15
Karosserie: Alu Stoßstange Eigenbau, Hella Rallye Scheinwerfer, Talbot Spiegel, Lüftungsschlitze am Heck
Interieur: 36er Sparco Lenkrad, Recaro Sportsitze, hydraulische Handbremse, Shortshifting von Fa. EMPI, Eigenbau-Käfig nach Reglement History (Materialgutachten), mechanischer Halda-Tripmaster, Blunik Rallyecomputer
Sonstiges: 80 Liter Renntank (Eigenanfertigung mit Gutachten), Makrolon-Scheiben mit Schiebefenster,Makrolon Heckscheibe, Gegensprechanlage für Fahrer und Beifahrer, Türverkleidungen und Seitenverkleidungen aus Alu
Text: Michael Kolb, Bilder: Michael Kolb + Archiv Andreas Reis. bearbeitet am 6. April 2023