Im Lexikon wird der Begriff „Grauer Star“ mit „Trübung der Augenlinse“ erklärt. Der „Graue Star“ von Petr Bureš sorgt bei Tuningtreffen in Tschechien für Glanz in den Pupillen.
Keine farbigen Tribals, kein Flipflop. Anstatt buntem Treiben nur trister und mattgrauer Lack. Der Trend zu schlichten Lackierungen ist auch in Tschechien unübersehbar. „Mein Audi soll dem Auge durch dezente Karosseriearbeiten gefallen und mit extremen Tiefgang auffallen“, meint der Mechaniker in einer Skoda-Werkstatt. „Und warum fährst du nicht Skoda Octavia?“ stellen wir ihm die erste Frage. Das Design des Ingolstädters gefällt ihm eben besser als das des einheimischen Mittelklassestars. Das geeignete Schrauberobjekt hatte er schnell gefunden. Dem 96er Audi A4 drohte das gleiche Schicksal wie den meisten seiner Artgenossen, die jahrelang als Rentnerauto unterwegs, anschließend bis zur 5. Hand durchgereicht werden, um irgendwann in der Verwertung ihrer noch brauchbaren Teile entledigt zu werden. Petr montierte zunächst nur billige Leichtmetallfelgen und einfache Tieferlegungsfedern. Motiviert von verschiedenen Treffen veränderte er den Audi innerhalb eines halben Jahres nach seinem persönlichen Geschmack. Die totale Demontage der Karosserie blieb nicht aus, einerseits um aufkommenden Rostansatz zu vernichten und andererseits um den Neuaufbau gründlich vorzubereiten. In Erwartung auf 18 Zoll Räder bördelte und zog der Tscheche die Radlaufkanten von Kotflügel sowie den Seitenteilen bis ultimo. Zum stimmigen Design der gecleanten Außenhaut mussten nur noch die geeigneten Anbauteile gefunden werden.
Mit dem Single-Frame hat Audi in der Szene einen Volltreffer gelandet. Petr entschied sich für den Grill des brandneuen A8, den er in die Seidl Frontschürze integrierte. Flankiert von Xenon Scheinwerfern der Modellpflege ist das Gesicht des A4 nicht mehr als das eines 96ers zu identifizieren. An der Heckpartie erkennt man die erste Auflage des A4 an den Heckleuchten und der Sicke oberhalb des Nummernschildes. Ansonsten ist alles Manufaktur erklärt Petr. Beim Umbau der Seidl Heckschürze, an der die seitlichen Kiemen unverändert übernommen wurden, orientierte er sich an Ferrari. Das Endrohr der Auspuffanlage endet weit vor der Schürze, um keinerlei Ruß-Spuren auf der Lackierung zu hinterlassen.
Der Audi „lebt“ nicht nur von seiner graphitgrauen Lackierung. Eine derartig extreme Tieferlegung ist auf Tschechiens Straßen eigentlich kaum fahrbar. Trotz des G.A.S Luftfahrwerks musste der Audi die Einfahrt des Flugplatzes in Mimon im Kriechgang bewältigen, weil die Elektrik sich weigerte, den Kompressor anzuwerfen. Kein Fingerbreit passte zwischen Radlaufkante und der Oberfläche der Bereifung.
Den gewonnen Eindruck eines gnadenlosen Tieffliegers verstärken die 18 Zoll RH ZW3 Räder, deren Einpresstiefe mittels Distanzscheiben bis zum Äußersten korrigiert wurde. An der Vorderachse stehen 9,5×18 Zoll ET 35 mit 25mm Scheiben an und der Lenkradeinschlag lässt erahnen, wie nahe die 225/40er Pirellis dem Blech kommen. Für Bond war die Welt nicht genug, für Petr ist es die Spurbreite. 10,5×18 Zoll ET15 mit 245/35 an der Hinterachse bestückte er zusätzlich mit 15er Distanzscheiben. Die Performance vermittelt den Eindruck, dass der Audi es kaum auf eigenen Füßen zum Fototermin geschafft hat. Doch die Fahrfotos mit über 100 km/h auf der Startbahn des ehemaligen Militärflugplatzes beweisen, dass der Audi zumindest auf ebener Strecke problemlos seine Bahn zieht. Im Stillstand bietet der A4 einen Blick auf die im Leoparden-Look lackierten Räder und die in 24 Karat vergoldeten Schrauben. Kein Wunder, dass dieser A4 zu den Superstars der Szene zählt.
Der 1,9 TDi Motor besitzt Optik und Leistung. Der Chiptuner namens ABC-Tuning, ließ 92 Kw anstatt 66 unter die Haube wachsen und grüsst via Auspuff alle Hinterbliebenen mit einem schwarzen Fähnchen. Die Verhinderung von Ruß an der Heckschürze dank Kürzen des Endrohres haben wir bereits abgehandelt, nicht die Optik des Motors. Anstatt mit Chrom zu glänzen, blieb Petr seinem Stil treu. Den Leopardenlook betont angenehmen brauner Lack, der nicht übertrieben, sondern mit Augenmaß gewählt wurde.
Gleiche Farbgebung dominiert im Innenraum. Vom Dachhimmel bis in den Fußraum dominiert Textil im Leopardenlook. „Shark for the Show“, nennt Petr das Ensemble im Innenraum. Leopard und Hai teilen zwar nicht ihr Aussehen, dafür ihre Gefräßigkeit. Und der wahre Fresser des Audi ist die Car HiFi Anlage, optisch, sowie akustisch, doch vor allem in Sachen Energieverbrauch. Die Magnat Woofer fressen die zusätzliche Vorratskammer in Form einer Zusatzbatterie so schnell leer wie die Mäuse den Getreidespeicher. Starthilfe bitte! Was uns bleibt ist das Staunen über den grauen Star.
Audi A4, Baujahr 1996
MOTOR: 1,9 TDi, ABC-Chiptuning, 92 kw, Motoroptik im Leo-Look
AUSPUFF: Serie clean und ohne Kat, versteckte Endrohre des Skoda Octavia TDi
GETRIEBE: 5-Gang Serie
FAHRWERK: G.A.S Airride (SH Motors)
RAD/REIFEN: RH ZW3 in 9,5×18 Zoll ET38, 25mm Distanzscheiben, vergoldete Schrauben 225/40 ZR 18 Pirelli PZero, Ha: 10,5×18 Zoll ET15, Distanzscheiben 15mm 245/35-18
KAROSSERIE: Seidl Frontschürze mit A8 Single Frame, Mattig Racinggitter, modifizierte Seidl Heckschürze, Rieger Dachblende, Kotflügel und Seitenteile gezogen und gebördelt, M5 Rückspiegel, Xenon Scheinwerfer Modellpflege, Lackierung graphitgrau
INTERIEUR: F1 Victor 28 cm, Innenraum im Leopardenlook. Aluschaltknauf, Originalsitze aufgepolstert
CARAUDIO: JVC KD AVX 2 Radio, 2X Magnat Woofer , Dietz Kondensator, 3×2 Herz Systeme in Türablage, Kofferraum und Hutablage, Zusatzbatterie