Der Tank ist klein. Der Durst ist groß. Das Blubbern des V8 einfach unwiderstehlich. „Nur zum Spaß“ restaurierte Christian „Chris“ Mann einen über 60 Jahre alten Ford Pickup.

Der Ford-Club Sonneberg ist von den Ford-Treffen her als US-Car freundlicher Club bekannt. Meist parken hinter dem stets aufgebauten Ortsschild „Sumbarch“ (Dialekt für Sonneberg) verschiedene Mustangs jüngerer Baujahre. „Eigentlich wollte ich einen Mustang der ersten Generation restaurieren“ erinnert sich Clubvorstand Chris. Doch selbst einen Haufen Pony-Car-Schrott wird zu außerirdischen Preisen gehandelt, weshalb er die Alternative Pickup in Erwägung zog. Über eine im Internet präsente Firma erhielt er ein Angebot, dass jedoch kurze Zeit später vergriffen war. Man(n) beschaffte Ersatz in Form eines Stückwerks. Der F100 war in Teile zerlegt, die zweite Restauration an Rahmen, Motor und Achsen begonnen. Chris schipperte sein neues Objekt via Hänger von Garmisch nach Sonneberg.

Das Fahrzeug war vor über 20 Jahren in einer typisch-amerikanischen Garagen-Restauration mit Spachtel, Spax-Schrauben und mindestens sieben Schichten Lack beglückt worden. Nach dem Import und einiger Laufzeit stand der Pickup bewegungslos unter Bäumen, bis sich ein Zeitsoldat mit dem Neuaufbau versuchte. Doch der Ruf des Vaterlandes übertönte das Blubbern des V8. „Glücklicher weise waren fast alle Teile komplett, und der bereits aufbereitete Motor und die C6-Automatic in gutem Zustand“, freut sich Chris. Nach der von ihm und Familienangehörigen durchgeführten Restaurationsarbeiten mit üblichen Schweißen, Sandstahlen und Teiletausch begann die Kür mit individuellen Details.

Weil die alten Ford-Funzeln eine vernünftige Ausleuchtung der Fahrbahn verweigerten, brachte er moderne Klarglasscheinwerfer des Golf 2-Zubehörs ins Spiel. Selbst der Grill geht nicht mit dem Baujahr konform, weil für ihn ein 56er besser aussieht wie der 54er. Um das Aussehen des Pickups kompakter erscheinen zu lassen, versetzte Mann die Stoßstangen näher an die Karosserie. Feinarbeit ist die eine Sache, notwendige Neugestaltung die andere. Die Ladefläche war weggefault, die Bordwände wellig. In Zusammenarbeit mit seinem Cousin Thomas zog Chris einen neuen dunkel gebeizten Holzboden ein, in den eine V8-Signatur eingefräst wurde. Klassisches Patina verströmen die nicht mehr taufrischen Rückspiegel. „Die gäbe es günstig zu kaufen“ weiß Chris, der in diesem Fall jedoch das Original anstatt einem Chrom-glänzenden Neuzustand vorzieht. Im aufpolierten Originalzustand mit neuen Gläsern befinden sich die Rückleuchten mit dem Ford-Schriftzug. Die two-tone Lackierung in herkömmlichen Farben soll den Aufbau flacher erscheinen lassen. Grundierung und einige Einzelteile erledigte Chris in Eigenregie.

Die Cooper Cobra Radial GT Bereifung ist laut Hersteller ganzjährig tauglich, wobei Winterbetrieb nie in Betracht kommen wird. Und dass nicht nur, weil die längst nicht mehr erhältlichen Western Wheels und die Karosse keinesfalls dem Salz ausgesetzt werden sollen. Winterbetrieb würde in den Bergen Thüringens den Verbrauch auf über 30 Liter pro 100 km hochjagen. „Nein danke“, sagt Chris. Relativ gut in Schuss zeigte sich die bereits mit Chrom verschönte 390 Cui-Engine aus einem 68er Ford Galaxie 500. Chris brachte noch die Innen-Kotflügel, sowie Kick-Down-Gestänge, Bowdenzüge, verschiedene Halterungen und die V2a-Verrohrung der Heizung auf neuen Stand.

Dieser F100 besitzt eine auf Hochglanz polierte Luxusausstattung mit vielen Chromapplikationen. Ob Chrom in Serie ausgeliefert oder nachträglich eingebaut wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Der B&M Shifter ist eindeutig ein neuzeitliches Teil, ebenso wie die Hebel beiderseits des Lenkrads aus dem Zubehör. Ton in Ton zeigen sich Türverkleidungen und Dachhimmel. Die Sitzbank stammt vom 68er Ford Ranger mit überarbeiteter Mittelbank für die kurze Pause. So ein über 50 Jahre alter Pickup macht tierisch Spaß. Das unverkennbare Blubbern, sowie ein urgewaltiges Drehmoment kann halt nur ein US-Car liefern.

FORD F100 (1954)

MOTOR: V-Achtzylinder 6400 ccm, (390 Cui aus 68er Ford Galaxie 500), Edelbrock Vergaser (600er)

AUSPUFF: Short Headers von Ford, Eigenbau Auspuff in 2,5 Zoll Durchmesser, Eigenbau H-Pipe, 2 x Thunder Zubehörschalldämpfer

GETRIEBE: Ford C6-Automatic (3 Stufen) mit Drehmomentwandler, Getriebeölkühler aus dem Zubehörhandel

FAHRWERK:  Original Starrachse vorne mit gekürzten Shackles, GM 12 Bolt Hinterachse mit gedrehten Aufnahmen, neue Lagerungen und Stoßdämpfer

BREMSEN:  Original Trommelbremsen vorne und hinten neu überarbeitet mit Servounterstützung

RÄDER: Rockwell International Western Wheels Typ 1550, 8×15 Zoll ET -32, 10×15 Zoll ET -58 (ET selbst ausgemessen), Cooper Cobra Radial GT, va. 265/50, HA. 295/50

KAROSSERIE: Golf 2-Klarglasscheinwerfer, 56er Grill und Blinker, Stoßstangen näher gesetzt, neue Heckbeplankung, Kunststoff-Heckscheibe, Rückleuchten mit Ford-Emblem, Lackierung: Orange von Opel, Universal schwarz, gecleante Motorhaube, Chrom Heckklappensicherungen, verchromte Schrauben (an der Ladefläche)

INTERIEUR: Luxus-Innenausstattung, Lenkrad US-Zubehör mit Servolenkung, Chrom Blinkerschalter, Aluminium Bremspedalauflage, verchromte Lenksäule, B&M Shifter, 68er-Ranger Sitzbank, keine Gurte, Dachhimmel in Wildleder bezogen, maßgefertigter Fußraumteppich, Drehzahlmesser, Blaupunkt MP3 Radio mit 4 Lautsprechern, komplett neuer Kabelbaum mit Sicherungsbox von EZ-Wiring

Fotografiert am 12. Juni 2009 beim Ford Treffen Sonneberg nach dem kleinen Regenschauer
es war der Tag von Gampis Trinkerfestspielen XXL (Gampi hat doch nur die Urkunden ausgestellt, oder?)
Text & Bilder: Michael Kolb für Ford Drive 1/2010, reloaded für Tuningcars am 12.Juni 2021