Ein Jungspund ist Gustav wahrlich nicht mehr. Seit 1969 ist er mit NSU verbandelt und hat seitdem nur zwei TT besessen: Sein Hochzeitsauto und diesen TT, der zunächst ausschließlich dem Motorsport diente. Heute ist der pure Wettbewerb dem Spaß am Auto gewichen, obwohl nach wie vor der Weg den Berg hinauf führt.

Wie bei den meisten Führerscheinneulingen spielt der Käfer auch bei Gustav die Rolle der chronologischen Nummer 1. Im Vergleich zu einem 30 PS starken VW 1200 „Ovali“ ist der NSU TT eine echte Rakete. Gustavs brandneuer NSU TT, Modellpflege des NSU Prinz 1200 TT, leistet  65 PS bei 5.500 Umdrehungen und rennt über 150 Km/h. „Exakt 6250 DM hat der in Alfarot lackierte TT damals gekostet“ erinnert er sich. Kurze Zeit später dient der TT als Hochzeitsauto der Borowskis, wobei neben dem Fahrer auch der Trauzeuge im kleinen Neckarsulmer Platz finden musste. „Die Frau habe ich noch, denn TT im Jahr 1974 verkauft“, scherzt Gustav und fügt hinzu, dass wegen Hausbau und Familienzuwachs zunächst keine Zeit mehr für sportliche Aktivitäten mit dem NSU übrig geblieben waren.  

Der Widereinstieg folgte vor ungefähr 10 Jahren. In Gustavs „alter Heimat“, der Eifel, bot ein älterer Herr unweit des Nürburgrings einen NSU TT plus Keller voller Ersatzteile an. Der Herr war Mitglied der Bonner NSU Freunde, einer seit 1972 bestehenden Interessengemeinschaft von Profis. Einen Sprinter bis zur Dachkante beladen, kehrte Gustav in seine „neue Heimat“ Oberpfalz zurück. Die vertraute Leidenschaft gewann wieder an Bedeutung. Mit Clubkollegen des AC Nittenau bestritt er jahrelang im harten Wettbewerb Slalom, Rallyes und Bergrennen. Gerne erinnert er sich an einen Lauf zur Deutschen Meisterschaft im Slalom, an dem in der 1300er-Klasse 29 Fahrzeuge teilnahmen. Simca Rallye 2, wie der NSU TT/TTS eine pure Fahrermaschine, machten den Neckarsulmern das Leben schwer. Die PS-stärkeren Simcas rannten mit 13 Zoll Michelin-Bereifung, die schier auf dem Asphalt kleben und den 12-Zöllern der NSU weit überlegen waren. Im Lauf der Zeit wich bei Gustav der Stress des „Schnell-sein-Müssens“ dem „Hobby NSU“. Heute lässt er es gemütlicher angehen, obwohl sein TT nach wie vor ein Kämpferherz besitzt.

Zwecks Leistungssteigerung des TT bot NSU damals einen standardisierten Tuningsatz an: Weber Doppelvergaser, Fächerkrümmer, und die scharfe Nockenwelle des TTS heben die Leistung auf 75 PS an, was offiziell in den Papieren festgehalten wird. Dem nicht genug, stammt der Endschalldämpfer von einer KTM, die ursprünglich deren zwei besaß. Einen Schalldämpfer ergatterte Gustav, den anderen sein Spezl. Vor dem Kauf des TT befand sich der Ölkühler im Motorraum auf der Fahrerseite, was die Öltemperatur nicht unbedingt flach hielt. „Früher starben die NSU wegen Überhitzung wie die Fliegen“, begründet er die Verlegung des Ölkühlers in den Fahrtwind, zudem eine größere Ölwanne ungefähr einen Liter mehr an Öl aufnimmt. Zusätzliche Luft gewährt die Motorhaube des Prinz 4 (Radstand 2040 mm), der im Vergleich zu den 1000er Serien (Radstand 2250 mm) als kurze und einfachere Variante angeboten wurde.

Die typische Aufmachung sowie die Auslegung des Fahrwerks lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass es sich hier um einen Sportler handelt. . „Die gekürzten Federn besitzen eine Genehmigung von NSU“, erklärt Gustav. In Kombination mit den roten Konis lässt sich der TT Go-Kart ähnlich um die Kurven werfen. Der negative Sturz wird mit so genannten TTS-Lagerstücken erreicht, zudem sind die Bremstrommeln des TTS breiter als die des TT

 Die Karosserie besitzt einige optische Feinheiten. Für originale Talbot Spiegel wie am TT montiert, werden heutzutage Horrorpreise verlangt. Die dem NSU angepassten Radläufe stammen vom Golf 1 und bieten den 3-teiligen Spiess Motorsport Felgen ausreichend Raum. Das Besonderheit der 7,5×13 und 8,0×13 großen Spiess-Räder sind Sterne aus Magnesium, die mit BBS-Schüsseln gepaart werden.

NSU ist Autofahren pur. Frei von Elektronik-Schnickschnack kommt es nur auf das Können des Piloten an, der in Halbschalen aus den D&W Shop festen Halt findet. „Keine Ahnung wo der Überrollkäfig herkommt“, weist Gustav auf die Eintragung hin, in der kein Herstellername festgehalten ist. Das komplett gepolsterte,  dreiteilige Indianapolis Lenkrad ist speziell für NSU freigegeben. Welchen Zweck erfüllt eigentlich das Radio in diesem Auto? „Das hat der Vorbesitzer für seine Frau eingebaut, damit sie die Nachrichten hören kann“ lächelt Gustav. Für ihn Spielt die Musik im Heckraum, in dem Familie Weber und die Auspuffkomponenten für den richtigen Sound sorgen. Glück auf den Berg hinauf, wo man meilenweit hört, was durch die Kurven fährt

Gustav und Tochter Meli in Friedenfels 2016

NSU TT (6/1971)

Motor:  1167 ccm, Reihenvierzylinder, 2×40 DCOE Weber Doppelvergaser (offene Trichter eingetragen), TTS-Nockenwelle, Ölkühler

Auspuff:  Ebersbächer Fächerkrümmer, KTM Endschalldämpfer

Leistung (max): 75 PS

Kraftübertragung:  4-Gang, H-Schaltung

Fahrwerk (va/ha):  Koni rot Sportdämpfer, gekürzte NSU-Federn, TTS-Lagerstücke für negativen Sturz,

Felgen (Herst./Größe):  3-teilige Spiess Felgen, Magnesium Sterne mit BBS Schüsseln / 7,5×13, 8,0 x 13

Bereifung (Herst./Größe): Dunlop SP / 195/45×13

Bremsen(vo/hi):  Scheiben/Trommeln (TTS)

Weitere Extras: Radläufe Golf 1, Motorhaube mit Lüftungsschlitze Prinz 4, Talbot Spiegel, Nummernschildhaltrungen vorne Eigenbau, Sonderlackierung,

Interieur:  2-Sitzer, 3-teiliges Indianapolis Lenkrad, Sport-Halbschalen (D&W), Schroth-Gurte, Öldruck, Temperaturanzeige Mittelkonsole, Käfig Marke unbekannt,

Danksagung: Danksagung an den Vorbesitzer Günther Herbst und vor allem an meine Familie für die Unterstützung

Text & Fotos: Michael Kolb für Audi Scene 4/2016 unter dem Titel „immer den Berg hinauf“ – reloaded für Tuningcars am 2. April 2021
Leider wird der Begriff „NSU“ seit Jahren von Presse, Politik und der Öffentlichkeit verunglimpft. Anstatt die Gruppierung „NS-Union“ oder ähnlich zu benennen, zieht man den Namen ehemals größten Motorradherstellers sowie Autobauers (bis 1977) in den Dreck. Es gibt nur ein NSU!