Fast 10 Jahre baute Werkzeugmechaniker und CNC-Fräser Sebastian Karl an seinem 1990er Opel Calibra. Seinem  erlernten Beruf begegnet man auf Schritt und Tritt, genauso wie seiner Faszination für Tuning und Motorsportfahrzeuge

Mittlerweile liest du in einschlägigen Oldtimer-Fachmagazinen von irgendwelchen Tuningsünden der Vergangenheit. Selbst der Calibra, vom ersten Produktionstag an als Szenefahrzeug auserkoren, sollte am besten nur noch im mehr oder weniger langweiligen Serientrim daherkommen. Hey Karl, was sagst du eigentlich dazu?

Das Thema „Tuningsünden“ betreffend, ist  Sebastian Karl ziemlich schmerzfrei. „Ich bau mein Auto so auf, wie es mir gefällt und nicht wie es andere gerne sehen möchten“. Schließlich besitzt er von Beruf aus erlernte Fähigkeiten mit Material professionell umzugehen. Und mit „Ruby“ Rubner kann er sich auf einen Kumpel verlassen, der in Sachen Ideen für Calibra mindesten genauso verrückt ist wie er selbst. Stehen bei Treffen beide roten Calibras nebeneinander, verlangen Hardcore-Originalzuständler eine Überdosis Beruhigungspillen.

Dabei begann die Karl Speed Geschichte wie Tausende andere auch. Der am verrotten befindliche, magmarote Calibra war ein Garagenfund, dem nach Sandstahlen die Stunde der Wahrheit schlug. Zwar stand Sebastian vor einem Haufen Schrott, sah er doch das Elend als Herausforderung an. Die in einem Wort komprimierten Arbeiten über Jahre hinweg lauten: Komplettrestauration. Gleichzeitig mit dem Rückführen in quasi Neuzustand flossen individuelle Ideen ein. Weniger Gewicht und mehr Leistung als der Serien-16V erklärte er als sein Ziel und natürlich sollte das Auto in der Szene optisch mithalten können. Ein Kaufteil und viele Eigenarbeiten definieren die Frontpartie.

Eine der letzten verfügbaren Kamei Frontspoiler für Calibra kombinierte er mit ausgefrästen und gebogenen Flaps und einem einlaminierten Einlasstrichter. Zum Thema Leichtgewicht gehört die Lenk-Motorhaube aus Glasfaser, auf der ein Windspoiler von Kamei sitzt. Für individuelles Aussehen sprechen der gelaserte Schriftzug in den Türgriffen, die Wasserabweiser seitlich der Heckklappe und mittig auf der Heckscheibe die Lufthutze eines Wohnmobils. Sebastian liebt seinen Beruf als CNCler und kommuniziert das mit der unterhalb des CSR- Heckspoilers angebrachten Lippe, in die mehr Löcher eingefräst wurden als in einem Schweizer Käse. Als hätten wir es geahnt, auch der Diffusor entstand in Eigenbauarbeit.

Umbau auf Turbo kommt nicht Frage. „Turbo ist Hexenwerk“, scherzt er und unterzog den Sauger einer Kraftkur. Der 2 Liter 16V wurde mit dBilas-Nockenwellen versehen, neu gelagert und abgedichtet, was die auf dem Papier angegebene Leistung nach oben streuen lässt. Zusätzlich fand leistungsfördernde Peripherie Einzug in den Motorraum. Nachdem sich frische Luft in der CDA-Airbox versammelt hat, wird sie in verdichteter Form in der Lexmaul Ram via Einspritzung auf alle vier Zylinder verteilt. Leider verhinderten neue Richtlinien den Einbau einer Einzeldrosselklappenanlage mit Trichter, wofür eine bessere Luftführung eingeplant war. Der komplett gewickelte Fächerkrümmer mündet in einen Rennkat von Völkl, an dem sich eine so genannte Halbanlage des gleichen Herstellers anschließt.

Im auslackierten Motorraum treffen sich perfektes Aussehen und Leistung. Mit viel Chrom, gelaserten Schriftzügen und CNC gefräster Zündkerzenabdeckung spielt das Ensemble in der Bundesliga der Calibra-Motorräume. Der normalerweise schräg sitzende ABS Block entlässt seine Leitungen in Richtung Kotflügel, wo diese sowie weitere Kabel zunächst unsichtbar im Kotflügel verschwinden. Worte sind kurz, Taten dauern länger. Ein 6-wöchiger Urlaub nutze er für das Versteckspiel der Kabel, bei dem als Zeitfresser das Verlängern der Kabel mit passenden Anschlüssen und Anbringen neuer Halterungen die Hauptrolle spielte.

Dreimal baute er die aus Aluteilen bestehende Schaltung um, bis sich die Gänge nahtlos einreihten. Das System existierte nur in seinem Kopf und wurde praktisch aus dem Gedächtnisprotokoll heraus gebaut. Nachdem zunächst die Lagerung nicht funktionierte, legte er eine halbjährliche Pause ein, um neuen Anlauf für die so genannte „Karlsche GSG-Schaltung“ nehmen zu können. Ähnliches gilt auch für die Handbremskonstruktion, die sich zum Thema Zeitfresser einreiht.

Der komplette Innenraum rund um die Sparco Vollschalen pro2000 mit lackiertem Rennmuster verströmt Rennatmosphäre, die vom Pleie Motorsportkäfig mit DMSB-Zulassung verstärkt wird. Aalglatt geben sich das Armaturenbrett und weitere Kunststoffteile. Fillern und Schleifen verschlangen Stunden, bis auf schwarzem Lack Wassertransferdruck aufgebracht werden konnte. Genau genommen gibt es kein Teil, das nicht irgendwie mit Wassertransferdruck oder Lack veredelt wurde und keine Schraube die nicht in die Hand genommen wurde. Dass über die Schalterleiste auf der Beifahrerseite die Zusatzbeleuchtung im Innen- und Motorraum steuert, soll für die Freunde der Nachtbeleuchtung erwähnt werden.

Opel Calibra (1990)

Motor:  2.0, DOHC, 16V, BMC Airbox mit Luftführung in Frontschürze, angepasste Lexmaul Ram,  scharfe Nockenwellen mit verstellbaren Nockenwellenrädern, leichte Federteller, Zylinderkopf strömungsgünstig bearbeitet und geplant, Ventilsitze nach außen gelegt, Ventile poliert. Motoroptik: viele Teile verchromt, lackiert oder pulverbeschichtet, Eigenbau Benzindruckanzeige

Auspuff: Lexmaul Fächerkrümmer an Zylinderkopf  angepasst, Völkl Komplettanlage, Völkl Rennsportkat, Auspuffanlage komplett mit Hitzeschutzband umwickelt

Leistung (max): 165 PS

Kraftübertragung: pulverbeschichtetes F20-Getriebe, Sachs Rennsportkupplung, Schwungscheibe erleichtert und feingewuchtet, Gema Schaltwegsverkürzung, Eigenbau Schaltung mit extrem kurzen Schaltwegen

Fahrwerk (va/ha):  KW Gewindefahrwerk,

Felgen (Herst./Größe): Schmidt Space Line mit lackierten Felgensternen/ 8,5×17, 9,5×17 ET35

Bereifung (Herst./Größe): Dunlop / 215/45R17, 235/40R17

Bremsen(vo/hi): EBC Green Stuff Bremsbeläge, ATE-Powerdisc, Bremssättel zerlegt, gestrahlt und überholt, weiß lackierte Bremssättel mit gelasertem Logo, Stahlflex-Bremsleitungen in Carbon Optik, alle Bremsleitungen neu angefertigt und schwarz pulverbeschichtet

Weitere Extras: Komplettrestauration inklusive neu angefertigten Blechen (Radkästen, A-Säule, Fußraum), Karosserie Glasperlen gestrahlt; Dome doppelt verschweißt, Seitenteile, unterer Querträger und Schweller neu (Opel original), Karosserie und Anbauteile komplett angepasst (Spaltmaße besser als original), Unterboden und Radkästen lackiert; Motorraum 3 farbig lackiert,  Achsen gestrahlt und spritzverzinkt und lackiert , Unterbodenschutz und Dämmmatten komplett entfernt; Motorraum komplett gecleant, sämtliche Löcher entfernt, Kabelbaum unsichtbar verlegt, Lichtmaschine überholt und verchromt; Zündspule im Innenraum, Zender Frontansatz, Initialen in Stoßstange als zusätzlicher Lufteinlass; Eigenbau-Flaps und Grillgitter, Scheinwerfer PS Design, Eigenbau Heckdiffusor, Rennsport Abschleppschlaufe vorne, Servoleitungen Eigenbau, Lenkgetriebe überholt, pulverbeschichtet, alle Schrauben verchromt oder blauchromatiert; überarbeitete Lenk-Glasfaserhaube, Kamei Windsplit, Bonrath-Einarmwischer, Vectra B Türgriffe mit Logo, Kotflügel gezogen (2 cm) und gebördelt, Initialen in Kotflügel gefräst und mit Carbonplatte hinterlegt; Schlitze in Seitenschweller und C-Säulen Abdeckung eingebracht und mit Carbonplatte hinterlegt; Windleitblech in Carbonoptik; Tankdeckelabdeckung (Rubner Motorsport), Rieger Dachspoiler, CSR-Heckspoiler, Kühlwasserdeckel, Spritzwasserdeckel und Zündkerzenabdeckung  aus dem vollen gefräst, verchromt, Domkappen gedreht und verchromt, Spritzdüsen für Scheibenwaschanlage in Windleitblech versetzt

Interieur: Innenraum ausgeräumt; 30er Raid Sportlenkrad mit Zusatzschaltern und Pedal Shift Optik;  Zusatzinstrumente für Öldruck, Bordspannung; Eigenbau Instrumenten Halterung statt Lüftungsdüsen für Lambda Wert und Öltemperatur; Sparco Vollschalen pro2000 mit lackiertem Rennmuster auf Eigenbau Sitzkonsolen, Schroth-Profi Hosenträgergurte, Armaturenbrett schwarz matt lackiert, Sparco Pedalauflagen, Rahmen für Türgriff (innen) aus dem vollen gefräst und lackiert, sämtliche Armaturenbrettteile in Carbon veredelt; Dämmmatten und Ablauflöcher im Fahrzeugboden entfernt, Türverkleidung mit Echtkarbonplatten, umgearbeiteter Pleie Motorsportkäfig mit DMSB-Zulassung. Eigenbau-Domstrebe hinten, Carbon-Sonnenblenden und Innenraumspiegel, Fahrer- und Beifahrerfußstütze aus poliertem Alu, Dachhimmel entfernt, Schiebedach lackiert, Schiebedachschalter in Seitenteil versetzt, Batterie in Carbonbox im Kofferraum, Feuerlöscher und Nothammer, lackierte Mdf Platte als Reserveradmuldenabdeckung, Zusatzbeleuchtung LED, Not Aus Schalter und Beifahrer Leselampe; Gehörschutz in Carbon an Eigenbauhaltern am Käfig; Helmnetz zwischen Käfig Kreuzen; Scheiben in Makrolon Optik

ICE: JVC CD-Player mit unsichtbar verbautem 3 Wege-System

Danksagung: Meinen Eltern, Maria (für ihre unendliche Geduld), meiner Tochter Lotta und Sohn Hannes, Mitglieder der „Opel IG Bamberg“;

Text & Fotos: Heinz Bauriedel für Opel Flash 11/2015 unter dem Titel „Karl Speed“, reloaded für Tuningcars am 30. März 2021