Die Eckdaten des Mercedes 560 SEC von Holger Wagner lassen aufhorchen: Der auf knapp 6-Liter Hubraum erweiterte V8 leistet nahezu 700 PS bei 0,9 Bar Ladedruck und lässt die Tachonadel des fast 2 Tonnen schweren Luxus-Coupés über die 300er-Marke wandern. Dabei fing alles ganz harmlos an….

„Der SEC ist ein Mitbringsel von einem Badeurlaub an der Ostsee“ beschreibt Holger seinen Erstkontakt mit dem über 20 Jahre alten Mercedes, der Krönung der von 1979 bis 1991 produzierten Baureihe W126. Seit Holger mit einer C-Klasse Freundschaft geschlossen hatte, schielen seine Augen immer wieder nach leistungsstarken Sternen. Die Steigerung innerhalb seiner persönlichen Modellhierarchie erreichte an der frischen Ostseeluft ihren Höhepunkt. „Über die S-Klasse der Achtziger geht nix drüber“, meint der Fan kantiger Formensprache und klar definierter Proportionen.

Tatsächlich gefiel der Ostsee-Benz beim ersten Anblick mit seiner auffallenden Brabus-Optik. Doch bei näherem Hinsehen entlarvte Holger dezent aufkommende braune Pest, deren Blüten bereits Radläufe und Kanten befallen hatte. Ronny Klose, in der Ford Szene Sachsens kein unbeschriebenes Blatt, versetzte unter Berücksichtigung des neues Radsatzes Radläufe und Abschlussbleche in Neuzustand. Anstatt serienmäßigem Kleinod in 7×15 Zoll schuf er Platz für der mächtigen Karosse adäquate 18 Zoll Räder des Herstellers Keskin. Auf 9,5 x 18 Zoll KT 4 gespannte 255/40er Bridgestone fordern von der Servolenkung unermüdlichen Arbeitseinsatz, zumindest im Stadtverkehr. An der Hinterachse wurden 11×18 Zoll Trommeln mit 295/35er Michelin Walzen verheiratet. Die unterschiedlichen Reifenhersteller resultieren aus der Verfügbarkeit der exotischen Übergrößen. Im Zuge der Renovierung fand auch eine original 80er-Jahre SEC-Tuning-Lippe von Zender Anschluss an die Brabus-Frontschürze, was die Frontansicht des mit 40mm H&R Federn tiefergelegten SEC weiterhin verschärft. Die neuen schwarz getönten Rückleuchten waren bei MHW erhältlich, die der wuchtigen Heckpartie in Verbindung mit den Chrom-Endrohren und dem ebenfalls schwarzen Oberlack eine beeindruckende Optik verleihen.

Beim Durchblättern verschiedener Farbkarten beim Lackierer bekamen bei Holger dann aber Japaner den Vorzug. So setzt das auf den Body lackierte „deep red“ normalerweise eher einen Nissan in Szene, während die in „galaxy-black“ lackierten Flächen sonst nur bei Honda zu finden sind. Mit dem neuen Japaner-Lack-Finish wirkt die über 20 Jahre alte S-Klasse mit ihrer sportlich-frischen Zweifarboptik wie ein Neuwagen. Dabei blieb ihre Eleganz, verbunden mit dem Charme der 80er, rundum erhalten, denn tief greifende äußerliche Veränderungen wie extrem erweiterte Radhäuser, die noch breiteren Gummis ein Zuhause geboten hätten, eine Lufthutze oder das Cleanen der Türgriffe lehnt deren neuer Besitzer gänzlich ab. Mit Blick auf die authentische Linienführung dieses Traumwagens aus dem Hause Mercedes-Benz lautet sein klares Bekenntnis dazu nur, „Das wär `ne Sünde!“

Die im Datenblatt angegebene Leistung des höher verdichteten W126 560SEC der Baujahre 1985 bis 1991 steht mit 300 PS auf dem Papier. Dass hier inzwischen ein anderer Wind weht, verraten bei ruhendem Triebwerk lediglich die vier großen Endrohre und die kleinen Kompressor-Schriftzüge an den vorderen Kotflügeln. Holger, der Motorentechnik beruflich erlernte und in eigener Tuning-Werkstatt alltäglich anwendet, erweiterte den Hubraum in Verbindung mit speziellen verdichtungsreduzierenden Kolben von Kolbenschmidt auf knapp 6 Liter Hubraum. Die geänderte Nockenwelle stammt von dbilas dynamic. Anstatt der Bosch KE-Jetronic kommt eine frei programmierbare Motorelektronik von Adaptronic zum Einsatz. Zur Fütterung des Triebwerks treten gleich zwei Benzinpumpen im Duett an. Da Kraft von Kraftstoff kommt, fanden die für den größeren Benzindurst geeigneten Einspritzdüsen des Porsche GT2 den Weg in den Mercedes. Ab 1500 Umdrehungen schlägt dann endlich die Stunde des TM20-ASA-Kompressors in der HD-Version (mit Keramik-Lagerung), der vorne links, oberhalb der Lichtmaschine, seinen Arbeitsplatz gefunden hat. Mit einer Laderaddrehzahl die erst bei 120.000 Touren endet, schaufelt er schier unglaubliche 500 Liter Frischluft je Sekunde in komprimierter Form in den gierigen Schlund des Motors.

Der brachiale Schub des Triebwerks wirft das fast 2 Tonnen schwerere Fahrzeug frei nach „Calli Calmund“ wie eine Bleifeder gen Höchstdrehzahl. Das höchste Drehmoment liegt jenseits von 700Nm. „Der Kompressor ist eigentlich zu klein für den V8“ erklärt Holger, denn die Leistung fällt in der gegebenen Abstimmung beim Überschreiten von 5000 Touren deutlich ab. Zum Glück ist hier bereits Abhilfe in Sicht, denn ein demnächst beim Kompressoren-Spezialisten ASA verfügbarer größerer Lader ist bereits geordert. Damit der Motor trotz des heißen Kompressor-Flirts einen kühlen (Zylinder-)Kopf bewahrt, schnappt der SEC seine Atemluft über einen Wasser-Ladeluftkühler und zieht zudem den Joker  einer hoch-effektiven Wasser-Methanol-Einspritzung von Motorsportausrüster SNOW-PERFORMANCE aus dem Tuningregal. Die sondergefertigte und nahezu rückstaufreie, doppelflutige Bastuck-Edelstahl-Anlage findet in Zwillingsendrohren ihren Abschluss und setzt die Abgasentsorgung in einen Gänsehaut verursachenden, urgewaltigen V8-Sound um, dessen sonores Leerlauf-Brabbeln bei Tuningtreffen Traubenbildung vor der geöffneten Motorhaube verursacht.

Dabei kommen die Augen nicht zu kurz, weil blaue Druckschläuche und rot lackierte Ventildeckel in Mercedes-Motorräumen doch eher selten zu finden sind. Beim Erstversuch einer Leistungsmessung, damals noch mit der originalen und maßlos überforderten KE-Jetronic und ohne Ladeluftkühlung,  platzte bei 0,4 Bar ein Druckschlauch. Die ermittelten Werte endeten daher bei 430 PS und 620 Nm. Da das Projekt Leistungssteigerung immer noch nicht seinen Zenit erreicht hat, steht ein erneuter Leistungstest bis heute aus. Die momentanen Leistungswerte sind daher aus Test- und Messfahrten abgeleitet und aus verschiedenen technischen Kennwerten rechnerisch angenähert worden. Bei geschmeidigem Fahrbetrieb gibt sich der starke V8 zwar auch Mal mit 15 Liter auf 100 Kilometer zufrieden, aber unter Volllast rauscht locker mehr als das Doppelte durch die Injektion. Die in der Praxis erreichbare Höchstgeschwindigkeit mit der langen Achse des 500 SE (2,24 anstatt 2.65) und dem Automaticgetriebe des W140 (S Klasse ab 1991) liegt bei 310 km/h. Negative Beschleunigung übernimmt die kräftig zupackende 6-Kolbem-Bremsanlage von Brembo, die so auch im E63 von AMG Verwendung findet und kurz nach dem Fototermin installiert wurde.

Selbstverständlich spielt der Innenraum einer S-Klasse in der obersten Liga, wobei angenehmes Leder das Oberklassen-Sitzgefühl unterstreicht. Jegliche Nostalgie musste allerdings beim Interieur weichen, denn die neue optische Direktive lautete hier „Sportlichkeit“. Mit rotem und schwarzem Lederlack versehene Paneele und das 32er Momo Volant setzen dabei deutliche Akzente.

Gut im Blickfeld des Fahrers und ebenso sportlich im Ausdruck finden sich auf dem Armaturenbrett dazu passend die überlebenswichtigen GReddy-Zusatzinstrumente für Ladedruck, Abgastemperatur und Öltemperatur. Doch erst durch den an Stelle des Zündschlosses verbauten, magisch anmutenden, rot-leuchtenden Startknopf wird das sportliche Ambiente geadelt. Mit einem kurzen Druck auf diesen bekommt das solide Kraftpaket dann seinen Startbefehl, welchen es mit einem ruhigen tiefen Grollen umgehend beantwortet. Der Motorsound ist aber nicht das einzige klangliche Highlight. Ein Blick in den Kofferraum offenbart eine Ansammlung von drei Endstufen KAC301T der Marke Kenwood, die mit vier Subwoofern und den vorn und hinten installierten Zweiwege-Systemen von Rainbow eine ebenso stimmgewaltige Symbiose eingehen.

Klang, Optik und Leistung satt – dieses Auto hat reichlich Potential und macht einfach Spaß. Das erklärt sicherlich auch das unübersehbare Dauerlächeln des Benz-Enthusiasten, wenn er von den Erlebnissen mit seinem Stern erzählt. So durfte bereits der Fahrer eines AMG-Mercedes das markante Heck des SEC bewundern, nachdem ihm oberhalb 270km/h auf der freien Autobahn langsam die Argumente ausgegangen waren. Auf ein Resümee zu diesem Bericht angesprochen, gab Holger folgendes Statement ab: „Ich möchte an dieser Stelle Mercedes-Benz danken, dass sie bereits in den 80-igern so hubraumstarke ALU-Motoren gebaut haben, ohne die dieses Projekt undenkbar gewesen wäre.“

Typ: Mercedes 560 SEC W126, EZ 7/1988

Motor: 8 Zylinder, von 5,6 auf knapp 6 Liter mit Kolben (Kolbenschmidt), geänderter Lufteinlass mit in der Frontschürze integriertem Air-In-Take, wassergekühlte Ladeluftkühlung, frei programmierbares Motorsteuergerät mit Breitband-Lambdasonde (Adaptronic), Porsche GT2 Einspritzdüsen, ASA Kompressor TM-20 HD-Version mit Keramik-Lager, bei max. 0,9 Bar nahezu 700 PS, Wasser-Methanol Einspritzung von SNOW-PERFORMANCE

Auspuff: Eigenbau doppelflutige Duplex-Edelstahl-Anlage (2x63mm) mit Dämpfern von Bastuck mit Zwillings-Endrohren

Karosserie: Brabus-Frontschürze mit original 80er-Jahre SEC-Tuning-Spoilerlippe von Zehnder, Zweifarb-Lackierung rot: Nissan Deep-Red / schwarz: Honda galaxy-black, schwarz-getönte Heckleuchten von MHW

Fahrwerk: 40mm H&R Tieferlegungsfedern, Sportdämpfer Koni rot

Räder: sonderlackierte Keskin KT4, 9,5×18 Zoll, 255/40 ZR18 Bridgestone Potenza (va), 11×18 Zoll, 295/35 ZR18 Michelin Pilot,

Getriebe: W140 Planetengetriebe, Wandlerkupplung, Differenzial vom 500 SEC (längere Übersetzung)

Bremsen: Scheiben vorn (6-Kolbenanlage von Brembo, 360 mm) /Scheiben hinten (Serie 288mm – 2Kolben)

Innenraum: 32er Momo Lenkrad, Leder (Serie), Blenden in Lederlack, Zusatzarmaturen von GReddy, Car Hifi: Radio KMD-PS987, Endstufen 3x Kenwood KAC301T

Text & Fotos: michael kolb/tuningcars.de für Mercedes Tuner 5/2009

reloaded für tuningcars.org 21. Februar 2021