Zunächst hörte ich das typische Rasseln eines alten Käfers. Ich riss die Kamera hoch und schob das Objektiv auf maximale Tele-Einstellung. Der Rest war typisch Leserautojaeger: Fragen ob. Fotografieren und Datenaufnahme –wie bei mir üblich via digitalem Diktiergerät. Manchmal findet man unter den Besuchern das gewünschte Objekt, so wie beim 2017er VW-Audi Treffen der VW Freaks Bamberg e.V. in Hallstadt

michael kolb für VW Scene 08-09/2018 (die erste 2-monatliche Ausgabe)

Wie fühlt man sich als Golf I-Fan, wenn man zum ersten Mal die Gänge eines antiken Käfer sortieren muss? Marco Müllenders Antwort tendiert zwischen seltsam und großartig. Er fand in Belgien einen nach Schweden ausgelieferten Brezel, der gerade aus Norwegen importiert wurde. Pure Lebensfreude ist eben international.

.. auf der Suche nach einem Besucherparkplatz

Marco parkte jenseits des VW-Audi Treffens in Hallstadt/Bamberg, obwohl sein fast 70 Jahre altes Kulturgut zwischen Ganzstarken, Halbstarken, Oldschoolern und Youngtimern die Sensation gewesen wäre. Zumindest die Sensation unter den Käferliebhabern. Zunächst werfen wir einen Blick auf seinen Golfplatz. Dort spielen ein 1977er Golf GL in Birkengrün, ein 1978 GLS Automatik und ein 1979er Rabbit aus Westmoreland, einer der ersten US-Rabbits mit der begehrten Frontpartie.

Bei seiner Suche nach einem „knorre Alten“, wie er die frühen 50er bezeichnet, stieß er in Belgien auf dieses Prachtexemplar. Die Historie hat man ihm nachvollziehbar dokumentiert. Ausgeliefert wurde der Brezel nach Schweden in bordeauxroter Lackierung im Jahr 1950. Ab 1952 lief er in Norwegen, wurde irgendwann in Babyblau umlackiert, und wechselte im Jahr 1975 seinen Besitzer. Nach einem erneuten Besitzerwechsel landete er bei Are Sletta, einem Restaurator, mit dem Marco heute noch in Kontakt steht.

Nachdem der Brezel von mehreren Zwischenhändlern durchgereicht worden war, stand er 2016 in Belgien zum Verkauf. Glücklicherweise meldeten sich alle baujahr-spezifischen Teile anwesend und funktionstüchtig. Neben den seltenen Zierleisten mit Sicke, den Stoßstangen, den kleinen Rückleuchten und der in Fachkreisen „Papstnase“ genannten Kennzeichenleuchte, zeigte sich sogar der Innenraum mit originalen Instrumenten, Schaltern und sogar dem Zigarettenanzünder bestückt.

Der Preis bewegte sich im grünen Bereich, zumal ein nicht originales 62er Faltdach eingebaut und der Originalmotor von einem Industriemotor ersetzt worden war. Marco recherchierte, dass der originale Boxer ungefähr drei Jahre vor dem Kauf in Norwegen verloren ging. Der Industriemotor, ein Exemplar wie es die Feuerwehr für ihre Pumpen verwendete, sprang an und der Käfer lief. Allerdings mussten für die deutsche Zulassung einige Hürden übersprungen werden. Norwegische Papiere, keine Blinker, nicht funktionierende Elektrik, Türschlösser und verölte Bremsen forderten Marcos Einsatz.

Dennoch blieb der Aufwand überschaubar. Die Handbremse war außer Funktion, weil die Schubstange gegen die Tieferlegungsachse stieß. Nachdem er das Problem mit auslaufendem Öl gestoppt hatte, bremste der Käfer wie am ersten Tag. Auch die Elektrik des Oldies ließ sich einfach reparieren. Nie hatte der Käfer Blinker oder eine Warnblinkanlage und selbst der Außenspiegel war nicht vorhanden. Letzteren ersetzt ein Klemmspiegel. Modernste versteckte Sicherheitstechnik mit LED-Rücklichter sowie LED-Bremsleuchten verleihen das Prädikat „besser als Original“. Fehlende Hupenziergitter sowie die vorderen Ausschnitte konnten aus dem Reservoir der Oldtimerhändler erstanden werden.

Wer legt schon Wert auf Schrauben? Marco! „90 Prozent der originalen Schrauben wurden wieder verwendet“ berichtet er stolz. Der glänzende und rostfreie Unterboden des 50ers ist mit Sicherheit besser in Schuss als die meisten 10-jährigen Gebrauchten. Nur die Sache mit dem nicht vorhandenen Originalmotor störte Marco. Sein Golfplatz trat endgültig in den Hintergrund, denn .Marco wollte den „alten Boxer“ wieder in den ureigenen Ring stellen.

Die Suche nach dem in Norwegen verschollenen Motor gestaltete sich mehr als nur aufwendig, da zunächst die Verschwiegenheit der Norweger durch Vertrauen aufgetaut werden musste. Kleinere Fortschritte ermutigten ihn und irgendwann kamen sogar Fotos und Textdokumente aus den 50ern zum Vorschein. Während des großen VW-Treffen in Hessisch Oldendorf traf er seinen Kontaktmann aus Norwegen. Der Originalmotor mit passender Produktionsnummer wechselte in Marcos Besitz. Allerdings ist der „Matching Number“ nicht eingebaut. Im Alltagsbetrieb erhält der „Feuerwehr-Industriemotor“ den Vortritt.

Typ: VW Käfer Typ11

Baujahr: 1950

Motor: 4-Zylinder Boxer (ehemaliger Industriemotor der Feuerwehr), 1192 ccm

Auspuff: Vintage Speed Edelstahl

Leistung: 34 PS (anstatt original 24,5 PS)

Getriebe: unsynchronisiertes 4-Gang Originalgetriebe

Fahrwerk: originale Hebelstoßdämpfer hinten, Tieferlegungsachse mit Rasterplatten vorne

Bremsanlage: Trommeln/Trommeln, rundum erneuert

Felgen: Stahlfelgen, vorne original 4×15 Zoll, hinten verbreitert auf 6×15 Zoll

Reifen: Firestone deLuxe Champion Weißwand Diagonal, 5.60×15/ 6.40 x15

Karosserie: Originalfarbe L51 Bordeauxrot mit Patina, Faltschiebedach 62er Käfer, versteckt eingebaute LED-Blinker; modifizierte Rückleuchten mit Eigenbau-LED Einsätzen (Abblend-, Brems-, Blinklicht). FIAT-Klemmspiegel

Interieur: Originale Ausstattung – nicht erneuert, Türpappen des Ovali; Sitzgurte aus 1950er AirForce Flugzeug

HiFi: „laut singen“ zum Motorklang

Sonstiges: Originalmotor vorhanden, 6 Volt, patinierte Scheinwerfer

Golf Fahrer Marco Müllender: Wenn schon luftgekühlt, dann aber uralt

bearbeitet für Tuningcars am 15. März 2023