Vor über 10 Jahren arbeitete ich kurz für das Magazin „Mercedes Tuner“ des W.P Europresse Verlag. Den Straßen zugelassenen 190E im legendären Diebels-Layout zur DTM 1992 konnte ich mir nicht entgehen lassen, entsprach der doch genau der Zielgruppe des Magazins. Im April 2010 besuchte in Bernd Martin vor den Toren Nürnbergs

Der Däne Kurt Thiim und sein Teamkollege Roland Asch peitschen ihren Mercedes 190E 2.5-16 Evolution auf den 2. Platz der DTM 1992. 17 Jahre später startet die Replica von Bernd Martin auf der Rundstrecke, bei Bergrennen und im Slalom. Mit Erfolg.

Bernd konnte den 9. ADAC Bergpreis für Oldtimer in Happurg mit einem 3.Platz in seinem Klassement abschließen und sogar im „Kinderkarussell“ Slalom überzeugen. „Am Norisring 1992 habe ich den DTM-190er auf der Strecke gesehen“, erinnert sich Bernd an die Zeiten, in denen er selbst mit einem getunten Capri 2,8i regionale Sportveranstaltungen bestritt. Das Thema „Diebels“ hat in seinen Gedanken nie aufgehört zu existieren. Zwei Jahre nachdem der Capri veräußert worden war, beendete Bernds Frau Jutta die „Leidenszeit“. Kurzerhand kaufte sie ihrem Mann einen Mercedes 190E 2,3-16V mit 170 PS und Vollausstattung. Leder wäre wahrlich nicht notwendig gewesen, da Bernd seine eigenen Pläne mit dem Geschenk seiner Frau schmiedete. Nämlich Pläne in Diebels-grün für sein eigenes Renn Team „ Scuderia Martin“

Nicht von heute auf morgen, sondern Stück für Stück wuchs der 190er zu einem Wettbewerbsfahrzeug. Den Spagat zwischen Straßenzulassung und Rennfahrzeug schafft die Karosserie dank der Erfahrung vom Team Stadler Motorsport, dass sich vor allem um das Wohlergehen der rennfähigen „W201“ kümmert. Das in Gold lackierte Schwert findet Verbindung zum grünen Frontspoiler mit all den Sponsoren-Aufschriften, die im Detaillierten Layout von 1992 neu aufleben. Die Flanken gebühren dem damaligen Hauptsponsor Diebels, der sein Alt mit dem ewig jungen 190er vermarktete. Die Karosserie und Lackierung entsprechen dem Original, außer den Rennverbreiterungen. Das typische Merkmal der EVO 2-Serie besteht aus Karbon: Bernd kann den EVO 2-Flügel per Schraubenschlüssel auf die Gegebenheit der Rennstrecke einstellen, indem er die Fläche durch herausziehen eines Flaps vergrößert. Je mehr Fläche, desto Anpressdruck. Zum Tourenwagen-Revival am 23.Juli auf dem Hockenheimring wird er ausgefahren, schließlich gilt es gegen Gleichgesinnte wie BMW E30-M3, Opel Omega EVO 500, Audi V8 und Sierra Cosworth zu bestehen.

Im Maschinenraum spielt die Musik. Nachdem Bernd den Zylinderkopf selbst geplant und alle Kanäle poliert hatte, wandte er sich für das Finish an Stadler Motorsport in Hann. Münden. Dort optimierte man den kompletten Ansaugtrakt, setzte eine scharfe Nockenwellen ein und kümmerte sich um die Einstellung der KE-Jetronic. Auf  mindestens 200 PS schätzt Bernd die Maschine, die dank modifizierter Auspuffanlage nach purer Rennstrecke klingt. An den 100 Zellen Rennkat von Unifit schmiegt sich eine Gruppe A Anlage, deren letzte Stecke in mittigen Doppelrohren dem Berganstieg den Marsch bläst. Im erlaubten Bereich selbstverständlich, da dieses Fahrzeug alle zwei Jahre die reguläre TÜV-Prüfung überstehen muss. Besser als beim originalen 2,3-16V stehen selbstverständlich Bremsen und die Transmission im Futter. Die 4-Kolben Bremsanlage trägt geschlitzte und gelochte Bremsscheiben „von der Insel“, die von rennerprobten Ferrodo DS2500 Belägen im Zaum gehalten werden. Den Anschluss zum Getrag 5-Gang hat die Sachs Sportkupplung im Ernstfall mit Schweißperlen auf der Stirn zu ertragen. Dementsprechend haben auch Fahrwerk und Räder zu schuften. Das von Stadler Motorsport organisierte Fahrwerk stammt aus einem 89er Rennwagen, der von Klaus Ludwig auf der Nordschleife abgestimmt wurde. Auf die Räder des EVO in 8,25×17 Zoll spannte man  235/40×17 Semi-Slicks von Toyo mit Straßenzulassung.

Trotz abgenommenen Lenkrads sollte man bei Ein-, doch vor allem Ausstieg eine gewisse Gelenkigkeit mitbringen. Nach dem Hinabgleiten in die Sparco Schalen blickt man auf ein Eigenbau-Cockpit mit Drehzahlmesser und überlebenswichtigen Instrumenten. Der Tacho liegt jenseits des Blickfelds im Abwärtsschwung des Armaturenträgers, unterm dem sich ähnlich einem Flugzeug-Cockpit, weitere Instrumente und der Not-Aus angesiedelt wurden. Absolute Pflicht ist der Rennkäfig nach DMSB-Norm mit doppeltem Flankenschutz für Fahrer und seinem Co. Und selbst wenn für den Fototermin nur eine Landstraße aufgerufen wurde, bereitete es auch dem Beifahrer Spaß, die Faszination „Diebels“ im spartanisch, sportlichen Stil mitzuerleben.

Mercedes 190 E 2,3-16V W201 (1995)

Motor: 2,3 Liter Vierzylinder, KE-Jetronic, Steuergerät modifiziert, Zylinderkopf geplant, Schrick Nockenwellen

Auspuff: Gruppe A, Unifit 100Zellen Rennkat, Gruppe A Endtopf, Endrohre mittig

Getriebe: Getrag 5-Gang, Sachs Sportkupplung

Bremsen: 4-Kolben Bremsanlage (EVO), Ferrodo DS2500 Beläge, Scheiben aus GB,

Räder: EVO3 (E500) 8,25×17 mit 235/40×17 Toyo R888 Semi Slicks

Fahrwerk: Bilstein Dämpfer, H&R Federn, Domlager mit Uniball-Gelenken für exakte Sturzeinstellung,

Karosserie: EVO Frontspoiler mit Schwert, EVO-Heckflügel aus Karbon (Stadler), Original Aufkleber 1992, Schiebedach verschweißt

Interieur:  34er Sparco Lenkrad mit snapp-off, Sparco Vollschschalen mit Schroth Gurten, Wiechers Käfig nach DMSB, Gfk-Cockpit, Tacho mittig, Gfk-Mittelkonsole mit Not-Aus, offene Schaltkulisse

Fotos & Text: Tuningcars.de für Mercedes Tuner 4/2010- reloaded für Tuningcars.org am 14.04.2021/2.10.2022