Seit über 25 Jahren arbeite ich für Tuning/Scenemagazine, begonnen mit einem Treffenbericht in Chrom & Flammen 1/1996. Seitdem konnte ich ungefähr 2200 Fotoartikel in 14 verschiedenen Magazinen unterbringen. Im Fachjargon spricht man von „Feature“, dem Gesamtpaket bestehend aus Bildern mit Bildunterschriften sowie Text mit Datenblatt. Grundsätzlich stelle ich selbst das komplette Feature für das betreffende Magazin zusammen.
Mit Audi-, Porsche-, Opel-, und VW Scene sind mir nur noch vier markenbezogene Magazine geblieben. Das bedeutet, dass meine ehemaligen Hochburgen wie BMW, Ford, Renault und Toyota leider nicht mehr von mir „gefiehdscherd“ werden.
Zum Ablauf: Nach Absprache eines Fototermins erwartet mich ein nicht nur außen sauberes Fahrzeug. Motorraum sowie Innen- und Kofferraum (bei Car HiFi-Ausbau) sind ebenso gefragt. Als Hintergrund bevorzuge ich freien Himmel, die Sonne im Rücken. Meine Lieblingseinstellung heißt mit Vornamen Tele, weil die Autos mit Teleobjektiv, bzw TeleZoom kompakter im 3:2 Bildformat stehen. Weitwinkelaufnahmen der Karosserie sind nicht unbedingt mein Ding, weil das Auto zum Ei wird. Von Hochkant bin ich auch kein Freund. Meine in den Zeitungen gedruckten Hochkanter sind „modifiziertes Querformat“. Ich bin „Naturlichtler“ und verwende kein Kunstlicht, sprich keine Lichtanlage. Herumblitzerei findet in Ausnahmefällen nur im Innenraum statt.
Aus alter Gewohnheit beginne ich immer mit der Frontpartie. Total, schräg links, schräg rechts, Räder gerade oder so eingeschlagen, dass der Felgenstern sichtbar wird, nicht das Reifenprofil. Dann Seitenansicht Total. Es folgt das Heck im gleichen Modus wie die Front. Detailfotos, wenn notwendig in jeder Position. Schwierig sind meist die Innenraumfotos, vor allem bei hellem Sonnenschein. Meist findet die Suche nach Schatten statt, was leider nicht immer möglich ist. Der Einzelfall entscheidet. Beim Fotografieren lasse ich mich auf die wichtigen Details hinweisen, die unbedingt in der Zeitung erscheinen sollen. Dauer: Zwischen 20 Minuten und 1 Stunde je nach Fahrzeug.
Schriftliche Datenaufnahme gibt es bei mir nicht mehr. Seit meiner Celi News Zeit (Clubzeitung der deutschsprachigen Celica Clubs) arbeite ich mit Diktiergerät, seit 2002 mit digitalem Sony. Herausforderungen dabei sind starker Wind oder brutaler Dialekt, den ich zwar im direkten Gespräch meist verstehe, beim Abhören aber wird’s schwierig. Ich stelle Fragen wie z.B. Warum fährst du diese Marke? Warum gerade diesen Typ? Wie waren die Anfänge? Was ist deine Motivation? Was ist für dich der Höhepunkt des Fahrzeugs? Wo lagen die Schwierigkeiten beim Aufbau? Und so weiter. Auch einen Teil des Datenblatts nehme ich auf Diktiergerät. Dauer des Interviews: Zwischen 15 und 30 Minuten
Den Text schreibe ich ab Interview. Dadurch bekommt die Geschichte eine persönliche Note, denn das Verhältnis von Besitzer zum Fahrzeug muss im Mittelpunkt stehen, nicht die technischen Daten, die sollen im Text nur der Staffage dienen. Das Datenblatt muss deshalb unbedingt komplett sein. Ich stelle zunächst die Daten laut Vorgabe der betreffenden Zeitung wie Motor, Innenraum etc. zusammen und sende das dem Besitzer bevorzugt per E-Mail zu. Nach Rücksendung schreibe ich die teilweise bereits begonnene Geschichte weiter. Ich versuche Anglizismen-Kauderwelsch möglichst zu vermeiden. Gerne bringe ich dafür Dialekt ins Spiel, wie beispielsweise „weil die Kistn kann Kat ghabt hat“. Bis zum Endprodukt folgt meist ein Hin-Und-Her. Ich hau dem Besitzer solange meine Sätze um die Ohren, bis aus dessen Sicht alles fehlerfrei ist. Mein Rekord liegt bei sieben Aufbau-Versionen. Auch die Bildunterschriften werden angefertigt. Das Ergebnis bekommt der Besitzer zusammen mit einer Übersicht (im Photoshop zusammengestellte Miniaturbilder) zur Kontrolle. Erst nach endgültigem OK gebe ich ab. Dauer meiner Schreiberei zwischen 5 und 15 Stunden
Das Endprodukt: Im Regelfall erscheint die Geschichte wie von mir geschrieben. Mal ne andere Überschrift, mal dezent redigiert, aber im Prinzip unverändert. Zu Zeiten der Ford Drive habe ich den Begriff „entkolbt“ erfunden, nachdem Thomas Pfahl einige meiner grammatikalischen Querschüsse ausgebaut hat. Könnte heutzutage auch noch so sein.
Die Wartezeit spannt sich von kommender Ausgabe bis zu zwei Jahren. Bei der Zusammenstellung eines Hefts mischt die Redaktion verschiedene Typen, Farben, Alter (Oldtimer/Neuwagen), bisherige Wartezeit und so weiter. Bedeutet wiederum für die Redaktion: man benötigt einen so genannten „Kracher“ als Titelgeschichte. Und man braucht mindestens einen Oldtimer, bevorzugt mit klassischem Tuning. Gefragt ist auch „normales Tuning“ für ein kleineres Budget. Mal kommt ein Motorsportler, mal ne Ratte, mal ein total abgedrehten Umbau. Die Mischung macht’s aus. Einen Punkt bedenkt jede Redaktion: Bei zuviel dunklen Autos auf der Titelseite verkauft sich das Heft schlechter. Überhaupt ist das Titelbild für den Abverkauf am Kiosk entscheidend.
„In der einen oder anderen Zeitung sind keine guten Autos mehr“, bekomme ich immer öfters zu hören. Mal abgesehen von den verschiedenen Geschmäckern: wo sollen die auch herkommen? Früher standen mehr Eigenbauten auf Treffen. Als ich vor über 15 Jahren für alle drei Opel Magazine gleichzeitig gearbeitet habe, waren die Reihen mit „Zeitungsautos“ nur so zugeparkt. Die Auswahl war unglaublich hoch. Ich musste Gutes stehen lassen, für das ich mir heute die Finger lecken würde. Und heute?
Die echten Schrauber sterben so langsam aus. Zudem haben die Hersteller das Tor für Schrauber geschlossen. Du kannst ja nicht einmal mehr den Radio wechseln, ohne dass die Elektronik das Spinnen anfängt. Die Serienräder sind so groß, dass die Lücke für den Felgenmarkt nur noch eine kleine ist. Komplizierte Fahrwerke erschweren den Eingriff in die Technik. Böser Blick? Griffe entfernen? Scheinwerfer und Rückleuchten wechseln? Seitenteile ziehen? Das ist Vergangenheit. Was bleibt? Unsichtbares Chiptuning, sichtbare Folien, hochneudeutsch carwrapping genannt. Und natürlich geht Oldtimerresto. Oldtimer sind die nachhaltigsten Fahrzeuge überhaupt. Nach wie vor schließe ich mich der Werbung einer Baumarktkette an: Respekt wer`s selber macht.
michael Kolb aka Heinz Bauriedel, aka Achim Jaeger aka tuningcars.de aka Charly Bauernfeind – reloaded am 26. Dezember 2021