Markus Kobelt lernte ich 2015 beim newstyler Treffen in Weiden kennen, einem beliebten Treffpunkt für Freunde der „Alten Schule“. Sein aufwendig restaurierter 1972er Audi 80 der ersten Generation ist ein Paradebeispiel für klassische Veredlung unter Beibehaltung des originalen Motors und der originalen Optik.
Audi! Nichts anderes als Audi kommt für Markus Kobelt in Frage. Wer Kernschrott in einen „80er besser als Original“ verwandelt, muss ein guter Audianer sein.
Egal ob reines Audi Treffen, VAG Treffen oder markenoffene Veranstaltungen, dieses Fahrzeug begeistert Juroren und Besucher gleichermaßen. Als Audi im Aufwind des 1968 vorgestellten Audi 100 vier Jahre später den neuen Audi 80 B1 präsentierte, war auf Anhieb ein „Marktschlager“ geboren, so wie ihn Dokumentationsguru Werner Oswald titulierte. Rostvorsorge schien zu jener Zeit das überragende Thema nicht gewesen zu sein. Wie bei seinem späteren Konzernbruder VW Passat, litten die frühen Exemplare unter einer schweren Krankheit, bei deren Beschreibung man mit „Blechkrebs“ nicht daneben liegt. Über ein Dutzend Audi hatte Kfz-Mechaniker Markus bereits bewegt. Infiziert von seinem Onkel Günter Thiel, schwang er sich sogar bis zum Audi A6 4.2 V8 hoch. Der Wunsch nach einem der ersten 80er der Neuzeit blieb stets präsent.
Kleine Rücklichter, Lufteinlässe in der C-Säule und das Ambiente des B1-Urmodells lösten eine Suche nach dem geeigneten Objekt aus. Er fand ihn in der Audi Scene, nicht allzu weit von seinem Wohnort entfernt. „Das Auto hat auf erstem Blick gar nicht so schlecht ausgeschaut“ erinnert er sich an die erste Begegnung. Als auf der Hebebühne in der angemieteten Halle der Rost rieselte und Löcher sich wie von selbst vergrößerten, stellte er sich selbst vor die Alternative. Restauration gewann den Zweikampf gegen Verschrotten.
Recherchen beeinflussten seine Entscheidung, denn zum damaligen Zeitpunkt waren nur noch 209 Exemplare des Typs B1 angemeldet. Was anschließend folgte, muss nicht im Einzelnen erklärt werden. Nur das Wort „Bodengruppe“ erwähnen wir, weil sie sich von vorne bis hinten durchdrücken ließ. Mangels käuflicher Ersatzteile war eigenhändiges Anfertigen von Blechteilen angesagt. Hinzukam, dass eine gemeinsame Schrauberhalle abgefackelt wurde, was seinen persönlichen Bestand auf Null reduzierte. Mit Hänger am Haken zog er durch die Lande, um ein Schlachtobjekt und lose Teile einzusammeln. Der in Solingen erbeutete Spender konnte viel Fleisch liefern. Der Spengler aus der Nachbarschaft erlaubte die Nutzung seiner Maschinen, auf denen normalerweise Dachrinnen geboren werden. Es ging voran.
Der Pflicht folgte die Kür. Wie individualisiere ich einen B1 der ersten Serie, ohne das H-Kennzeichen zu gefährden oder ihn gar zu verbasteln? Spoilerecken des Audi 80 GT/E verfeinern die Frontpartie. Ein befreundeter Modellbauer fertigte im Unterdruck-Giesverfahren weiße Blinkergläser, die man auf dem freien Markt sonst nicht für Geld und gute Worte kaufen kann. Das kaputte Glas des linken Rückspiegels schnitt ein Glaser aus der Tafel. Eine weitere innerliche Laola-Welle verursachten nagelneue Rücklichter, die Markus im originalen NSU-Karton fand. Glücklichweise hatten Chrompartien wie die Stoßstangen die lange Zeit gut überstanden und benötigten lediglich manuelle Aufarbeitung.
Die allererste Serie des B1 erkennt man an den Entlüftungsschlitzen der C Säule, die später in die Türen verlegt wurden. Auch die Schlitze sehen heute aus wie am Ausliefertag. Allerdings entspricht die Lackierung nicht dem Gelb aus dem Baujahr. „Audi hatte die Lackierung in Silber im Programm“ recherchierte Markus und fährt fort, dass Silber nie ausgeliefert wurde, da die Kosten zu hoch lagen. In Silber war der letzte Audi seines Onkels lackiert. Farbe und die Buchstaben im Kennzeichen erinnern an Günter Thiel. Die Zweitbuchstaben GT haben bei an diesem Auto mit Grand Turismo nicht zu tun.
Als weiteren optischen Höhepunkt notieren wir 2-teilige BBS RM012 Räder in 7,5×15 Zoll. Die Räder beglückten einst einen Corrado und wurden umgeschüsselt, sprich, die 1 Zoll wurden gegen 1,5 Zoll Betten getauscht. Trotz Originalfedern liegt der Audi tiefer als sein Serienpendant, da wie damals im Motorsport, lediglich kurze Konis zum Einsatz kommen.
Dieser B1 kam als 80 L auf die Welt. L heißt Luxus, was wiederum eine grüne Innenausstattung bedeutete. Grün in seinem silbernen Fahrzeug? Mit Hilfe des Solinger Spenders verfeinerte Markus den Innenraum, ohne ihm seiner Identität zu berauben. „Rot sieht edler aus“ vertritt er die Meinung und legte noch eine Kugelauflage auf die „Solinger“-Sitze. Allerdings mussten sie mit den NSU-Sitzschienen in Einklang gebracht werden. Im Audi-Museum in Ingolstadt entdeckte er bei einem US-Modell Teppiche auf dem Armaturenbrett. Teppiche, Fußmatten und Holzablagen entstanden in Einzelanfertigung. In Absprache mit dem TÜV tauschte er das gebrochenen Original-Volant gegen ein 36er Dino von Raid. Und man höre und staune, das Blaupunkt Radio funktioniert. Warum eigentlich das Renngitter? Man kann bei Treffen das Fenster offen lassen, schließlich hat der Audi keine Klimaanlage.
Nach 3200 aufgeschriebenen Stunden war das Projekt abgeschlossen“ resümiert Markus und fügt hinzu, dass er nach 5 Stunden Arbeit nur deren 4 notiert hat“. Ursprünglich wollte er sogar eine Rennversion bauen. Angesichts der geringen Anzahl an überlebenden Audi 80 B1 und der mit „matching numbers“ verbundenen Wertsteigerung, verwendet er den optisch aufbereiteten 1,5 Liter. Das Wertgutachten über 10.000 Euro des Vollkasko versicherten Audis bezieht sich nur auf das eingesetzte Material. Der Verkaufswert beträgt laut einem TÜV-Prüfer nicht unter 32.000 Euro. Dafür bekommt man einen brandneuen Audi A4 1,4 TFSI mit der doppelten PS-Zahl. Dafür ist dessen Erlös in vier Jahren nur die noch Hälfte wert.
Audi 80L Typ B1 (1972)
Motor: Reihenvierzylinder; ohc; 1471ccm, Solex 35 Fallstromvergaser, Zahnriemenantrieb
Auspuff: seriennaher Nachbau
Leistung (max): 75 PS
Kraftübertragung: 4-Gang
Fahrwerk (va/ha): gekürzte Koni Dämpfer, Originalfedern
Felgen (Herst./Größe): 2-teilige BBS RM012 (umgeschüsselt) / 7,5×15 ET 33
Bereifung (Herst./Größe): Michelin Pilot Sport / 195/50×15
Bremsen(vo/hi): Scheiben 239 mm / Trommeln 180 mm
Weitere Extras: Radläufe gebördelt, Spoilerecken Audi 80 GT/E, weiße Blinkergläser, Golf 1 Pirelli Scheinwerfer
Interieur: rote Innenausstattung aus Spender, Drehzahlmesser aus Audi 80 Sport nachgerüstet, 36er Raid Dino, Fußmatten und Teppiche auf Armaturenbrett selbst angefertigt, Renngitter,
Danksagung: Günter Thiel (Onkel), meiner Frau Melanie und meinem Sohn Jeremy