Einen 75 Jahre alten Schwimmer in Form gebracht – VW Typ 166 Schwimmwagen. „Classic Love“ – das markenoffene Oldtimertreffen im nördlichen Fichtelgebirge bietet einige Überraschungen. Trotz einer Vielzahl an Ferrari, Porsche und Lamborghini zieht ausgerechnet das älteste Fahrzeug die meisten Blicke auf sich. Jörg Frickes Schwimmwagen hat nicht nur den Zweiten Weltkrieg überlebt. Nach eigenhändiger Restauration zählt sein schwimmfähiges Fahrzeug zu den wertvollsten Kostbarkeiten der Volkswagen Historie.
Die typische Boxer-Melodie ringt um Gehör gegen das Brüllen und Fauchen der Sportwagen-Gilde. Im Heck der wasserdichten Stahlblechwanne rasselt der Urvater aller Volkswagen-Motoren, wie er in Kübelwagen und Käfer verbaut wurde. Die Frage nach einem Fototermin für die VW Scene kommt für Jörg überraschend. „Ihr macht doch nur Golf Tuning und tiefe Käfer, oder?“ „Nein, auch Exoten sind uns willkommen!“ Leider sind vor Ort keine Wasseraufnahmen möglich. Also nutzen wir die Start-Landebahn des kleinen Flugplatzes Zell/Haidberg.
Jörg zählt zu den wenigen Besitzern eines fahrbaren und vor allem eines perfekt restaurierten Schwimmwagens. Durch Kübelwagen und die gemeinsamen Treffen der „mobilen Kriegsveteranen“ lernte er das Fahrzeug und die dazugehörenden Leute kennen. Irgendjemand wollte irgendwann einen Schwimmwagen restaurieren. Die eigentlich schrottfähigen Einzelteile landeten zunächst bei einem Kumpel von Jörg, der ebenfalls das Hobby „Kübelwagen“ pflegte. Für Jörg, der keinerlei praktische Erfahrungen mit Schwimmwagen hatte, war der Ankauf der Einzelteile eine leichte, doch auch eine schwere Entscheidung. Von größeren Schweißarbeiten mit Richtbankausrichtung abgesehen, traut er sich alles zu. Das Mammutprojekt nahm seinen Lauf.
Der Typ 166 Schwimmwagen wurde von der Porsche KG für das Militär auf Basis des KdF-Wagens und des Typ 82 Kübelwagen entwickelt. Die wichtigsten Merkmale waren die wannenförmige Karosserie, die abschwenkbare, dreiflügelige Schiffsschraube und der modifizierte Boxermotor mit 25 PS). Zwischen Herbst 1942 und Sommer 1944 stellte man im Werk Fallersleben über 14.000 Einheiten her. Jörgs Schwimmwagen wurde am 6. September 1943 produziert und am folgenden Tag an die Kaserne Bestensee in Brandenburg ausgeliefert. Wie es der Zufall so will, diente Jörg 1988 genau in dieser Kaserne der NVA.
Die verrostete Stahlblechwanne, vergleichbar mit der selbsttragenden Karosserie eines PKW, war ein Fall für einen Karosseriebauer aus der Oberlausitz. Alle Anbauteile sowie Motor, Getriebe und der Wasserantrieb wurden von Jörg zunächst im wahrsten Sinne des Wortes studiert. Das Lesen von Literatur in Form uralter Reparaturanleitungen, Skizzen und Berichten füllten seine Feierabende. Besitzer von Schwimmwagen, die Jörg glücklicherweise von den Kübeltreffenher kannte, verrieten ihm Tricks und Tipps zum Aufbau des Schwimmers. Freilich spielten auch die eBay-Verkäufer eine gewisse Rolle, die wie Jörg betont, stets hilfreiche Tipps gaben. Manche Kontakte bestehen auch heute noch.
„Jeder Schwimmwagen-Besitzer hat auch einen Kübelwagen“, schätzt Jörg. Die Ersatzteilversorgung findet sozusagen untereinander statt. Dass der Wert eines schwimmfähigen Fahrzeugs eine 6-stellige Zahl erricht hat, überrascht nicht. Selbst beim Classic Love Treffen erhielt er Angebote. Der Aufbau der Karosserie und die nachvollziehbare Technik begeistert die Kaufinteressenten. Auch im Innenraum wurden keinerlei moderne Tricks verarbeitet.
Das meiste des Interieurs stammt vom Kübelwagen. Allerdings sind die Sitze ungefedert und der Fußraum bietet für Langbeinige wenig Platz. Interessant wird der Gang ins Wasser. Die Antriebs-Welle wird beim ausgeschalteten Motor an die Kurbelwelle geflanscht, der Schwimmantrieb zum Einrasten abgeklappt. Motor an und ab durch den See. Die neu gelagerte Käfermaschine schafft 10 km/h im Wasser. Im Vergleich zu Kübel und Käfer bläst der Auspuff nach oben hinaus.
Die Geräuschkulisse lässt hier wie da keinen Zweifel über den Motor. Und allen Rückschlägen zum Trotz, die den Aufbau um mehrere Jahre verzögerten, die Freude am Schwimmwagen stellt alle Mühen in den Schatten. Die Lebensdauer eines Schwimmwagens im Jahr 1943 wurde auf 6 Wochen veranschlagt. In friedlichen Zeiten wird sie um ein Vielfaches erweitert und immer wieder folgt die Frage: Wo bitte befindet sich das nächste Gewässer?
Volkswagen Typ 166 Schwimmwagen
Baujahr: 1943
Motor: 4-Zylinder Boxermotor, 1130 ccm, Solex Fallstromvergaser 26 VFJ
Auspuff: Hochauspuff
Leistung: 24,5 PS bei 3000 u/min
Getriebe: Allradantrieb, 4-Gang Schaltgetriebe plus Geländegang,
Vorderachse: parallel schwingende Doppelkurbelachse mit Einzelradaufhängung und zwei querliegenden Torsionsstabfedern
Hinterachse: geteilte Pendelachse mit zwei querliegenden Torsionsstabfedern, hydraulische Öldruckstoßdämpfer,
Bremsanlage: mechanische Seilzug-Zweibackenbremse
Felgen: Stahlfelgen 8×16 Zoll
Reifen: Wesa Diagonal Gelände 200-16, Originales Ersatzrad Continental
Karosserie: selbsttragend, wasserdichte Stahlblechwanne mit Doppellängsträger und zusätzlichen Längs- und Querversteifungen, Dreiflüglige Schiffsschraube
Interieur: Originalausstattung 1943 ohne MG42, Handgranatenattrappen,
Text und Fotos: michael kolb/Jörg Fricke – reloaded für Tuningcars.org: 8. November 2021