Audi 100 Coupé S von Claus und Max Pfeifer. Das Coupé wurde von Claus bereits in den frühen 80ern von Grund auf restauriert und in Stil der damaligen Zeit neu aufgebaut. Das Auto ist ein zeitgenössisches Dokument, das ich in den letzten 20 Jahren zweimal veröffentlichen konnte. Beide Geschichten, gescannte Seiten aus AUTOTUNING, sowie Bilder und Text für die Audi Scene sind hier „verewigt“.

Der Audi erschien in AUTOTUNING 10/2001 innerhalb meines Coupé Specials zusammen mit Alfasud Coupé, Kadett C Coupé sowie Toyota Corolla AE86 (siehe Celinews.de).
Fotografiert im Sommer 2001 in Oberpferdt/Konrathsreuth, direkt vor der damaligen Werkstatt von Claus.
Beim 2017er Motor Nützel  VAG Treffen in Hof tauchte der Audi nach langer Abstinenz wieder auf, gefahren von Sohn Max.
Max wurde von mir zum Fototermin für die Audi Scene gebeten, nach kurzer Rücksprache mit seinem Vater legten wir los

Claus Pfeifer hat die wilden Zeiten der späten Siebziger bis tief in die Achtziger miterlebt. Autos  von der Stange standen bei Treffen im Abseits. Es zählte ausschließlich die Individualität mit so viel Anbauteilen wie möglich. Aus diesem Blickpunkt gesehen, relativiert sich der erste Eindruck eines zum Klassiker gereiften Oldtimers

Wer Claus als eingesessenen Audianer bezeichnet, behauptet nichts Falsches. Claus arbeitete als Kfz-Meister und Kundendienstleiter im Autohaus Friedrich in Hof, deren Chef Edgar Friedrich als letzter Lehrling von August Horch stundenlang über die Historie der Vier Ringe referieren konnte. Selbstverständlich hat der leider inzwischen verstorbene Audi-Dokumentator seine Mitarbeiter damals infiziert. Fast Alle fuhren Audi, freilich auch Claus. Sogar aus Berlin erschienen Kunden in Hof, um, wie in diesem Fall, das ehemals blaue Coupé über die Transitstrecke in die geteilte Stadt zu überführen. Kunde und Händler blieben in Kontakt. So kam es, dass Claus 10 Jahre später das nicht mehr taufrische Coupé zurückholte. „Herumzupfuschen machte keinen Sinn, sondern nur eine Komplettresto“ erinnert er sich. Die Karosserie verlor temporär an Gesamtgewicht, da jede Stelle inspiziert und wenn notwendig getauscht, bzw. geschweißt wurde. Der VW Käfer war schon immer ein Szenefahrzeug, doch nun kamen Golf und die Audi der frühen Siebziger dazu. Firmen wie Albrecht und Zastrow boten fette Anbauteile an, die Räder wurden breiter. Man zeigte in der Szene, was man draufhat. TransAm-Hutze oder Plastik-Verbreiterungen an meinem 100er? Claus bestritt den dezenteren Weg und verschönte die Verbindung zwischen beiden um 20mm gezogenen Kotflügeln mit Seitenschweller für Opel Commodore.

Das Coupé verließ mit 5×14 Zoll Stahlfelgen und 185/70 HR14 die Werkshalle, was zur damaligen Zeit so ziemlich die breiteste Serienbereifung im Automobilbau war. Egal auf welchem Auto, vor über 20 Jahren zählte die RH Cupfelge zu den beliebtesten Rädern der Szene und Größen über 16 Zoll galten als kleine Sensation. Die Eintragung der 8,5×17 und 10,5×17 Zoll auf dem Audi Coupé erforderte eine Einzelabnahme, schließlich mussten für damalige Zeit außergewöhnlich fette 245/35ZR17 Yokohamas untergebracht werden. Überarbeitung des Fahrwerks blieb nicht aus. Als Kenner der Audi- Fahrzeuge wusste Claus, inwieweit Achsteile des Nachfolgers Typ 43 montiert werden konnten. Gepresste Federn in Verbindung mit F&S Dämpfern zwingen die Karosse um ungefähr 30mm gen Asphalt. Ohne Zweifel steht der Oldie satt auf der Straße. Und nach wie vor werden die Leute von der auffallenden Lackierung angelockt wie Motten vom Licht. Der blaue Werkslack musste einer Sonderlackierung aus der Motorradabteilung von BMW weichen. Obwohl die Lackierung mittlerweile ihren 20ten Geburtstag feiern durfte, versprüht sie den Glanz wie einst im vor dem Millennium. Sorgsame  Pflege, keine Ausfahrt bei schlechtem Wetter und ein gut durchlüftetes, warmes Plätzchen in der Garage verlangsamen den Alterungsprozess, auch bei Lackierungen.

Das fast 50 Jahre pochende Herz des Oldtimers blieb technisch unangetastet. Lediglich notwendige Wartungsarbeiten halten den 112PS starken 1,9 Liter Benziner in Schuss. Nein, er muss nicht auf der Autobahn gegen gleichaltrige Genossen aus dem Reich der Nieren und Sterne kämpfen, zudem die unten liegende Nockenwelle lange Vollgasfahrten gerne mit einem kapitalen Motorschaden quittiert. Erleichtert wurde der Sprint mit dem Getriebe der 85 PS starken Audi 100 Limousine, das die kürzeste Übersetzung im damaligen Audipool besaß. Ventildeckel und Motor-Getriebe wurden lasiert, und mehrere Kleinteile statten einer ehemaligen Galvanik in Hof einen Besuch ab, von dem sie sprichwörtlich glänzend gelaunt zurückkehrten

DerSelfmade – Innenraum erzählt von den tollen Tuning-Tagen der individuellen Wohnzimmer. Jungfüchse aufgemerkt: Roter Plüsch war angesagtes Interieur. Kombiniert mit rot lackiertem Armaturenbrett, rotem Pralltopf, roten Instrumentenringen und natürlich rotem Kunstleder auf dem Gestühl erreichte der Audi das Höchstmaß an Ton in Ton Abstimmung. Claus setzte vier Zusatzinstrumente auf den Armaturenträger  und verteilte im Innenraum alles was das damalige Car Hifi hergab. Ihr kennt noch die berühmten Kassettenboxen mit den Schiebefächern? Die übrigens in Rehau von der Firma REHAU,  unweit von Claus Heimatort gefertigten Boxen, ließ er mit einem zusätzlichen Blaupunkt nur für Kopfhörerbetrieb auf der Rücksitzbank ein. Es waren wunderbare Zeiten, in denen man Dinge tun konnte, ohne in irgendeinem Forum oder unsozialem Medium anpöbelt zu werden. Wer unbedingt Kritik loslassen wollte, tat dieses Auge in Auge. „Niemand hatte Bedarf damals“ erinnert sich Claus.

Sein Sohn Max, der mit 21 Jahren seinem Vater folgte und ebenfalls Kfz-Meister wurde, besucht mit dem  Audi ab und zu Treffen. Er kann über ähnliche Erfahrungen berichten. Der Zeitgeist wird von den meisten Leuten akzeptiert. Klar, dass heute niemand mehr einem Oldtimer einen derartigen Umbau antun würde. Rückrüsten in den Originalzustand jedoch wäre der allergrößte Fehler. „where have all the good times gone“

Audi 100 Coupé, Baujahr: 1973

Motor: Reihenvierzylinder, 1871 ccm Register Fallstromvergaser, Chromoptik, Leistung (max): 112 PS

Kraftübertragung: 4-Gang Schaltgetriebe 

Auspuff: Eigenbau mit vier Edelstahlendrohren (eingetragen)

Vorderachse: modifizierte Original-Federn, Typ43 Achse mit stärkeren Stabigummis, F&S Dämpfer

Hinterachse: modifizierte Original-Federn, F&S Dämpfer; Hinterachsübersetzung Audi 100 (4,111)

Bremsen:  Scheiben (291 mm) / Trommeln

Felgen (Herst./Größe):  RH Cupfelge / 8,5×17 ET53, 10,5×17 ET35

Reifen (Herst./Größe): Yokohama, 215/40 ZR17, 245/35ZR17

Karosserie: Schweller Opel Commodore, Lackierung: BMW RS 1000

Interieur: Rotes Kunstleder, Cockpit rot lackiert, Zusatzinstrumente,

HiFi: Sanyo Stereoradio, Sanyo Casettendeck, Blaupunkt (Porsche) in Rücksitzbank (nur für Kopfhörer),

Text & Fotos: Michael Kolb für Audi Scene 3/2018, reloaded am 15. August 2021