Sein Name  ist Held. Jürgen Held. Er besitzt die Lizenz zum Löten. Sein Held-Car ist gesalzen, nicht gepfeffert. Für ihn gibt es nichts anderes als Audi. Es relativiert sich seine Aussage angesichts des Berufs Serviceberater in einem Autohaus der „Vier Ringe“. Noch nie hat er ein anderes Fahrzeug als Audi besessen. Dass sein „gesalzener“ Audi A4 in der Bayerischen Szene zu den „Kings of Ring & Roll“ zählt, liegt nicht nur an der RS4-Optik.

Vorne dabei ist der Niederbayerische Audianer aus dem Landkreis Kelheim immer, wenn es um Meriten bei Autotreffen geht. Auch wenn er seinen Audi nur für sich selbst aufgebaut hat, freut er sich positive Stimmen der Juroren und Besucher. Das im Felgenbett gedruckte „g´solzn“ bezeichnet er als Hommage an “gepfeffert.com“, dem bekannten Tuner Andreas Pfeffer aus dem 100 Kilometer entfernten Deggendorf.

Früh übt sich! Das altbewährte Sprichwort fiel bei Jürgen auf fruchtbaren Boden. Dem damals 16-Jährigen spendierte ein Bekannter einen vergammelten Audi 80, dessen Bodengruppe 3 qm frisches Blech benötigte. Führerschein, Audi 80 fahren und vom Quattro träumen. Tatsächlich schließt sich dem eigenhändig aufgebauten 80er eine Reihe verschiedenster Audi Quattro an, die in verschiedensten Zeitabständen von ihm bewegt wurden. Die privaten Bastelerfahrungen kamen ihm für Technikerlehrgänge und Seminare zugute – und umgekehrt. Der Vorbesitzer des im Serienzustand befindlichen A4 war ihm ebenso bekannt, wie der überdurchschnittlich gute Zustand des Fahrzeugs mit dem 2.8 Liter V6-30-Ventiler. Jürgens Idee, aus einem Normal-A4 einen an der Front optisch adäquaten RS4 zu bauen, nahm im Jahr 2014 Gestalt an.

Nicht der Anbau der für den Tiefgang nochmals verbreiterten RS4-Kotflügel erforderte Geschick, sondern Abgleich der Kotflügel an S4-Schweller und RS4-Frontschürze. Den RS4 (B5) produzierte Audi nur als Avant. Schweller und Heckschürze stammen deshalb von der  S4 (B5) Limousine. Vor allem die Bearbeitung der Schweller hatte es in sich. Deren Auslauf musste angehoben werden, um spaltarm und frei von Absätzen mit den ebenfalls im Auslauf modifizierten RS4-Kotflügeln abzuschließen. Details wie entfernte Zierleisten, Logos und Griffleiste vervollständigten den Umbau. Als bemerkenswert bleibt zu notieren, dass die Front des 1997er A4 von ihm nicht auf „Singleframe-Grill“  umgerüstet wurde. „Hat doch jeder, einen eigenen Show & Shine Grill nur meiner“, stellt er  das Alleinstellungsmerkmal heraus. Das abnehmbare Teil einer gekürzten Motorhaube befindet sich während der Fahrt im Kofferraum und bei Treffen im Motorraum. Auf keiner Farbkarte wird man den Lack finden. Lackierer Rico und Jürgen mischten solange Orange mit Gold zusammen, bis beide gleichzeitig „Stopp“ riefen. Während Hersteller ihrem Lack gerne phantasievolle Namen vergeben, nennen beide „Createure“ ihr Ergebnis ganz einfach „Orange-Gold“.

„Für mich gibt es nur Fahrwerk so tief wie möglich und Räder so groß wie möglich “. Gehen wir Jürgens Aussage nach, stoßen wir auf 8,5×20 Zoll Audi-Rotor Räder, deren Einpresstiefe von 45mm mittels Distanzscheiben tatsächlich so weit wie möglich die Spur verbreitern. Das Gewindefahrwerk mit gekürzten Kolbenstangen ist das maximal Machbare für minimale Bodenfreiheit für ein Nicht-Luftfahrwerk. Zweifelsohne bietet Jürgens Audi A4 das, was man „Stance“ nennt und mit „satter Stand“ übersetzt werden kann.

Nach Optimierung von Ansaugtrakt und Zylinderkopf und nach Fertigstellung der Auspuffanlage warf der Drucker am Prüfstand 155 Kw entsprechende 211 PS aus. Der gestiegenen Leistung passte Jürgen mittels Adapter die Vorderachs-Bremsanlage des TT RS an, für die allerdings ein spezielles Gutachten zwecks TÜV-Abnahme erforderlich ist. Die bemerkenswerte Abgasanlage könnte man als Hero-Klappenauspuff bezeichnen. In die 63,5mm starke Verrohrung ohne Mittelschalldämpfer baute er per manuellen Unterdruckschalter eine „Umleitung“ ein, die nicht ohne Auswirkung auf das Gehör bleibt.

Jürgen ist ein Ohne-Schuh-Fahrer, grundsätzlich, wie er betont. Kostbares Alcantara bedeckt nicht nur den Fußraum inklusive der Pedalerie, sondern alles, was nicht in weißen Leder ausgestattet wurde. Im selbst gebauten Tauchbad fertigt er seinen eigenen Wassertransferdruck, wie man auf den Schalen der Sitze erkennen kann. Obwohl die  Rücksitze nie besetzt werden, sorgen zwei Bildschirme mit versteckter Kabelführung Stimmung für imaginäre Hinterbänkler. Kurzum, kein Teil bleibt unbearbeitet. Beim Leder endet die Kunst des Servicetechnikers, der sich zur Auskleidung des Interieurs an die Spezialisten von „individual car interieur“ wandte. In deren Referenzliste findet man nicht nur diesen Audi, sondern auch das Bobbycar, dessen Sitzfläche exakt im Leder der Audisitze bezogen wurde.

Je intensiver man den Innenraum inspiziert, desto mehr Details tauchen auf. Alcantara und Leder  in der Tachoeinheit. Weiße Chromringe passend zu den Sitzen. Audi A3 Schaltknauf, Audi 3-Speichen-Sportlenkrad in Alcantara und alles überragend Instrumententräger und Dachhimmel, die mit Nähten in Wagenfarbe gesteppt wurden. Dass das 1:43-Modell im mit Massivholz ausgebauten Kofferraum seinem Vorbild nicht nachstehen will, versteht sich wie von selbst.

Projekt abgeschlossen? Ja, denn der A4 lässt sich ja kaum noch steigern. Jürgen konzentriert sich jetzt lieber auf einen 1976er Audi 80 GT/E, der mit mehr Leistung bei weniger Gewicht auf sich aufmerksam machen soll.

Fotografiert auf dem Flughafen des Flugsport-Club Schwandorf e.V. während des Racingday in Wackersdorf am 27. September 2015

Audi A4 2.8 (B5), Baujahr: 1997

Motor: 2771 ccm, KennbuchstabeACK, V6-Ottomotor, DOHC, Ansaugtrakt und Zylinderkopf optimiert

Auspuff: Klappenauspuff Eigenbau (ohne MSD), Bypasssteuerung per Unterdruck

Leistung (max):  Serie 193 PS, aktuell 211 PS+

Kraftübertragung: 5-Gang Schaltgetriebe, Frontantrieb

Fahrwerk (va/ha): TA-Techniks Gewindefahrwerk mit gekürzten Kolbenstangen

Felgen (Herst./Größe):  Audi Rotor 8,5×20 ET 45, va 15mm, ha 5mm Distanzscheiben

Bereifung (Herst./Größe): Achilles 225/30×20

Bremsen(vo/hi):  TT RS Sättel und Scheiben mit speziellen Adaptern, gelochte 340er Scheiben / Scheiben Serie

Karosserie: RS4 Kotflügel, Frontschürze, Grill, S4 Schweller und Heckschürze, doppelte Fronthaube, Zierleisten entfernt, Heckklappenschloss entfernt, Chromleisten schwarz eloxiert.

Lack: orange-gold Eigenmixtur, schwarzer Klavierlack

Interieur: Sportsitze (Hersteller unbekannt) geledert und mit Wassertransferdruck auf Rücken, Audi 3-Speichen Lenkrad beledert, A3 Schaltknauf, alle Oberflächen in weißem Leder oder Alcantara, Wassertransferdruck, Doppel-Din-Schacht, Alcantara im Tacho, Kofferraumausbau in Massivholz,

HiFi: Focal System vorne und hinten, Hifonics Endstufen , 2×30 Pyle Woofer ,Hifonics Kondensator 2 Farad, Zweitbatterie in Reserveradmulde,

Text & Fotos: Michael Kolb für Audi Scene 1/2016, reloaded am 15. Juli 2021