Zwei Eigenschaften charakterisieren den Porsche 356 von Michael Schulze-Augustin: Er ist eine alte Rumpel, die mit einer derartigen Leidenschaft brüllt, dass einem die Ohren schlackern. Warum der Porsche eine lautere und härtere Gangart an den Tag legt, werden wir nun erörtern.
Einen alten Porsche kann sich jeder restaurieren lassen, der ausreichend Kohle dafür ausgeben mag. Michael zählt ich nicht zu den „Geldausgebern“, sondern zu den „Selbermachern“. Der selbstständige Handwerker in Sachen Rollläden und Markisen nimmt Dinge in Angriff, wo andere dankend abwinken würden. Nach 911, 912 und 996 wagte er sich an einen verschlissenen Fünfziger-Jahre Porsche, der mehr oder weniger in Einzelteilen zerlegt, ein trauriges Dasein fristete. Die in eBay geschossene Karosserie war immerhin bereits sandgestrahlt und grundiert worden. Mechanik und Innenleben lagerte in Kisten, die wiederum auf Paletten gestapelt waren. „Tutti kompletti?“ lautete seine Frage der Fragen, die vom Verkäufer positiv beantwortet wurde. Im Vertrauen auf diese Aussage transportierte Michael Karosse und Einzelteile in seine Mittelfränkische Heimat ins Nürnberger Land.
Dank kompletter Papiere ist die Historie des 1960er Porsches nachvollziehbar. Ein Bezirkschef aus Luzern legte sich den in der Schweiz ausgelieferten Porsche zu, um ihn einige Jahre als Privatfahrzeug zu nutzen. Anschließend landete er bei einem Besitzer eines Metallbaubetriebs, der ihn für seinen Rennstall zum Wettbewerbsfahrzeug umrüstete, wobei er in der Schweiz sowie in Frankreich auf Rundstrecken herumtobte. Nachdem der Rennstall auf 911er Serie umgestellt hatte, diente der 356er ohne Straßenzulassung nur noch als Promofahrzeug. Der Verkauf war eine logische Folge des wachsenden Desinteresses. Unglücklicherweise schien der Aufkäufer in Sache Restauration wenig bewandert zu sein und gab das auf Grund der Motorsportaktivitäten geschundene Fahrzeug an einen auf Jaguar spezialisierten Restaurationsbetrieb weiter. Voran ging wenig. Man einigte sich auf einem Deal. Der Restaurator behielt den 356er und tauschte seinen Porsche-Traktor dafür ein.
Keiner wollte im August 2011 diese 356er Karosse haben, freut sich Michael im Bewusstsein, dass im Zuge der Preisexplosion heutzutage dies nicht mehr möglich wäre. Seriennah und so leicht wie möglich, lautete sein Credo des Wiederaufbaus. Verbessert wurde die Halterung der Motorhaube an zwei seitlich angebrachten und selbst gefertigten Schlaufen, anstatt einer mittigen nicht mehr vertrauenswürdigen Schlaufe. Die Scheinwerfer der baujahrgleichen Käfer passen wie die Faust aufs Auge. Federleicht sind die Scheiben aus Makrolon von der an der Front abgesehen, sowie die beiden Außenspiegel. Man höre und staune: Aus optischen Gründen widersprechen die Zierleisten dem Willen der absoluten Gewichtsersparnis. Porsche Spezialisten erkennen an der Heckpartie, dass es sich hier um einen 356B T6 handeln muss, da der T5 eine kleinere Scheibe und nur einen Lüftungsschlitz besitzt. Und noch ein kleiner Unterschied: Die roten Heckleuchten stammen von einem US-Modell, da Orange den Einheimischen gebührt. Einen Zoll breiter als die Serienfelgen sind die 4,5,x15 Stahlfelgen von Mangels, die mit 175/50er Bereifung die eng beschnittenen Radkästen proper ausfüllen.
Der Block kommt aus einem 912er, der ja bekanntlich mit dem alten Super 90 der 356er Serie ausgeliefert wurde. Ein Schweizer Motortuner hatte Maßnahmen für extreme hohe Drehzahlen eingebaut, die von Michael auf ein fahrbares Maß für Alltagsverkehr zurück gestutzt wurden. Stehen blieb das so genannte Flugplatzgetriebe für Beschleunigungsrennen mit brachialem Vorwärtsbetrieb bis 150 km/h. Zum Zeitpunkt des Fototermins war wegen des tiefen Ölsumpfs noch keine Messung auf einem Rollenprüfstand möglich. Freilich trägt der Retro-Auspuff von Eisenmann seinen Anteil an der Überschrift“ Brüllrumpel“ bei, ist er doch laut Aussage von Michael der einzig legale Sport-Auspuff in dieser Lautstärke für den 365er.
„Der will nur schnell fahren“, meint Michael. Vergaserbedüsung und Nockenwelle erschweren Schleichfahrten im Stadtverkehr. Der Pilot sitzt dabei nahezu auf Augenhöhe mit den Dackel und könnte den Ausblick auf die Frauchen genießen, wenn deren Beine lang und die Röckchen kurz genug wären. Späßchen beiseite, obwohl … Spaß ist die Hauptsache bei diesem Auto, das eine gewisse Gelenkigkeit beim Ein- und Ausstieg voraussetzt. Und nachdem der neue Rennpass eingetroffen ist, geht der Spaß auf der Rennstrecke weiter.
Porsche 356B (T6) Super 90 (1960)
Karosserieform: Coupé, Chassisnr: 118459
Karosseriebauweise: Stahlblech, selbsttragend, 2 Türen
Werkslackierung; Osloblau
Interieur: Indianapolis-Lenkrad, Rennsport-Schalensitze (FIA-Zulassung) , Ü-Bügel lt FIA Norm, 5punkt OMP-Renngurte, Öldruckkontrollgerät mit Warmlampe,
Motor: Nr. 1080199, modifizierter 4-Zylinder Boxer, Hubraum: 1582 ccm, Bohrung: 82,5 mm, Hub: 74 mm, Verdichtung: 1:9, Motorleistung ca. 130 PS 2 x 40er Solex-Doppelvergaser, elektrische Benzinpumpe, größere Benzinleitungen, Zusatz Ölkühlung, Catchtank für Öl
Ventilsteuerung: Stoßstangen und Kipphebel
Bremsanlage: Trommeln/Trommeln
Radaufhängung vorn: Einzelradaufhängung,Drehstäbe,
Radaufhängung hinten: Einzelrad, Pendelachse, Drehstabfedern
Getriebe: 4-Gang „Flugplatzgetriebe“ extrem kurz bis ca. 150 km/h bei 6000 umin
Auspuff: Eisenmann Repro im Sebring-Design
Felgen: Mangels 5,5 x 15
Bereifung: Vredestein Sprint Classic in175/70 x 15
Sonstiges: nach DmSb Anhang K aufgebaut, Getriebe speziell für Bergrennen abgestimmt, 780 kg Leergewicht