Tschechischen Autos wird manchmal nachgesagt, nicht unbedingt mit korrekten Spaltmassen konform zu gehen. Dass Martin „Molik“ Kobližek über ein Jahr lang einen deutschen Bausatz überarbeitete, spricht für ihn.

Als Volkswagen im März 1979 zum Genfer Autosalon sein neues Cabrio präsentierte, übertönten die Stimmen der Kritiker die der Befürworter. Schließlich hatte das Käfer Cabrio längst Kultstatus erreicht, weshalb man dem „Erdbeerkörbchen“ nur eine kurze Karriere prophezeite. Als im Frühjahr 1990 die damalige Tschechoslowakei ihre Grenzen öffnete, rollte das mittlerweile in allen Bereichen ausgereifte Golf I Cabrio nach wie vor bei Karmann in Osnabrück vom Band. Heute hat man dank der guten Verarbeitung dem „Erdbeerkörbchen“ seinen Henkel ebenso verziehen wie das Stummelheck. Der Golf Cabrio Kult ist längst zur grenzüberschreitenden Sache geworden.

fotografiert beim Wild Wild East Pfingsttreffen auf dem Flugplatz Litten/BZ am 10. Mai 2008

Martin schwört auf Golf I Cabrio. Ein im Originalzustand belassenes Cabrio steht direkt neben diesem abgeschlossenen Restaurationsprojekt in seiner Garage. Die bei Treffen ausgestellte Schautafel zeigt, dass die 2004 aufgekaufte und total nackte Karosserie nur noch Schrottwert besaß. Da der gelernte Mechaniker und heute als Chef einer Möbelfertigung agierende Prager bereits das Original besaß, kam bei Neuaufbau des Schrottis nur eines in Frage: Volle Breite, stärkerer Motor und perfektes Innenraum-Ambiente. Nach Strippen und entrosten der Basis konnte bei Rieger-Tuning ein kompletter Golf I GTO-Bausatz ausgebucht werden, um seine Reise Richtung Prag anzutreten. Es begann ein hartes Jahr für Martin, weil jedes einzelne Teil eine Überarbeitung erforderte.

Der Bausatz wird mit 2-Komponentenkleber für Türaufsätze und Seitenteile ausgeliefert, was eine sorgfältig vorbereitete Aufbereitung voraussetzt. Die Schürzen fielen generell zu groß aus. Alle seitlichen Komponenten erforderten Korrekturen, und vor allem floss die Zeit in ungezählte Stunden von Schleifarbeiten. Rechteck-Scheinwerfer, so wie sie Ende der 70er Jahre groß in Mode kamen, gehören nicht an einen Golf I, basta! Martin schnitt runde Aussparungen in die Maske des Rallye Golf I, um Jom-Hauptscheinwerfer und Hella Fernscheinwerfer zu integrieren. In den reichlich verkleinerten Aussparungen der Rieger GTO-Frontschürze setzte er kleinere Blinker aus dem Zubehör ein. Im Vergleich des Golfs im Rieger-Katalog (2006 Seite 289) sind auch Unterschiede am Heck erkennbar. Martin verwendet weiß-rote Heckleuchten und eine Alu-Blende zur Nummernschildhalterung. Rot ist nicht gleich Rot. Das Mischverhältnis des Ferrari-Farbtons hat sich längst unter Lackierern herumgesprochen.

Nennen wir die Abstimmung der Performance „kultige Perfektion“. Klassische ATS-Fünfsterner füllen die Radkästen. Auf Grund der fehlenden Servolenkung bestückte Martin die Vorderräder mit 7×15 Zoll ATS und 215/40 Toyos, was dem Standing des Autos nicht schadet. Hinten wird’s richtig breit. In gewissen Ansichten erinnert das Cabrio an den R5 Turbo, dessen Hinterbacken ähnliche Maße aufweisen kann. 11×15 Zoll mit 285/40er Yokohamas sprechen eine deutliche Sprache, zudem die Felgen eine negative Einpresstiefe aufweisen. In diesem Fall kann man „negativ“ als durchaus „positiv“ ansehen, da gemessen von der Felgenmitte die Auflagefläche näher an der Auflage liegt und das Rad verdammt gut herauskommt. Die unterschiedlichen Reifenhersteller begründet Martin mit der Verfügbarkeit der Größen. Dass die Tiefe des Wagens nicht unbedingt mit dem Straßenzustand konform geht, dem weicht Martin elegant aus. Auf dem Weg zum VW Treffen in Bautzen sonnte sich das Cabrio auf dem Hänger. Obwohl es durchaus eine flotte Nummer auf die Straße hinlegen könnte.

Das ohne Motor gekaufte Projekt ist technisch gesehen ein Golf II GTI 16V. Aus dem geschlachteten GTI fand nahezu der komplette Vorderbau Verwendung, begonnen beim Motor, Aufhängung und den Bremsanlagen. Nachdem alle Komponenten durchgetestet waren, schlug die Stunde der Veredelung. Chrom ist dort, wo Chrom hingehört und was der intensiven Galvanik widersprach, wanderte auf die Werkbank zum Polieren. Das Spiegelblech in der Haube verrichtet einen guten Job, verdoppelt es doch die Ansicht eines pikfein veredelten Triebwerks. Stimmige Akustik liefert die Auspuffanlage, die ebenfalls mit Komponenten des Golf II GTI zusammengesteckt wurde. Das Ovale am Ende brabbelt die Geschichte eines Prager Golfs vom Feinsten

Das Interieur steht dem in nichts nach. Neben kleinen Chrompartituren spielen hier Leder und Lack die erste Geige. Das Heimspiel eines Sattlers aus Prag ergänzte Martin mit feiner Eigenleistung wie der selbst gestalteten Mittelkonsole. Die Harmonie der Farben und Materialien ergeben ein stimmiges Bild, das mit Kaufteilen der Firma Isotto ergänzt wird. Car Hifi Anlagen besitzt fast jeder Golf, doch welcher Golf besitzt schon einen Golfplatz? Heckklappe auf! Für das „Hole in One“ peilst man die Reserveradmulde mit dem Loch Nummer 18 an. Die Sonne scheint, die Sonne lacht, in Prag wurde ein schöner Golf gemacht.

Golf I Cabrio, Baujahr: 1985

Motor: 1,8 Liter 16V (aus Golf II), IBC Filter, Motorveredlung (verchromt, poliert, lackiert), Leistung: 129 PS (95 Kw)

Getriebe: 5-Gang (Golf II 16V)

Auspuff: Edelstahl Eigenbau für  Golf II (Supersprint) ohne Kat, 60mm Oval-Endrohr

Fahrwerk: H&R Triplex Komplettfahrwerk (-60, -40)

Bremsanlage: Scheiben 239 mm (Golf II 16V) / Scheiben 179 mm (Golf II 16V)

Felgen: ATS Fünfstern in 7×15 ET -8/ 11×15 ET-20

Bereifung: 215/45-15 Toyo Proxes / 285/40-15 Yokohama AV1-40

Karosserie: Rieger GTO Karosseriebausatz (15-teilig komplett), Rallye Grillmaske, Jom-Hauptscheinwerfer, Hella Fernscheinwerfer, MG Autodesign Rückspiegel, Jom Blinker, FK Heckleuchten,

Lackierung: Ferrari Rot (4 x Lack mit 3 Schichten Klarlack)

Interieur: Isotto Evolutione Lenkrad, Recaro Sitze mit Schroth 3-Punkt-Gurten, Echt-Lederbezug in Rot-Braun, Armaturenträger lackiert, Blenden chrombedampft oder verchromt, Mittelkonsole Eigenbau, Isotto Schaltknauf, Tachoscheiben Eigenbau, Golfplatz im Kofferraum

HiFi: Panasonic Radio SQ-C7305, Magnat Combat 900w und 600w, Hertz Subwoofer HX300, 2 Farad Kondensator

Text und Bilder: Achim Jaeger für VW Scene 1/2009;  reloaded am 27. Juni 2021

Rückblick:

Die VW Scene im TV Trend Verlag GmbH war ein redaktionelles Produkt des MI Medieninformationsdienst Hoffmann u. Partner GmbH in Herten, zunächst unter Chefredakteur Helmut Horn. Die monatliche Auflage der VW Scene lag damals bei weit über 100.000 Exemplaren. Nach seinem Ausscheiden gründete Helmut Horn die Magazine WOB und Sound Off. Neuer Chefred der VW Scene wurde Thomas Ebeling. Nach dessen Ausscheiden übernahm Thomas Pfahl die Redaktion – zusätzlich zur Ford Drive. Ich sah meine Chance gekommen, da ich als Leserautojaeger für die Drive seit 1997 „Beute erlegte“. Thomas Pfahl ist heute leitender Redakteur der „Classic Cars“. Die VW Scene wurde nach Erscheinen der Ausgabe 4/2022 eingestellt