Felgen, Fahrwerk und ein attraktiver Lack könnten auch einen Ascona mit 1,9 Liter Serienmotor gut aussehen lassen. Botaniker wissen, dass der Kletterstrauch Wisteria oder auch Blauregen genannt, über eine beeindruckende Wuchskraft verfügt. Gleiches gilt für den Motorraum dieses in Wisteriablau lackierten Asconas, in dem sich eine 2,7 Liter Mantzel Maschine breit gemacht hat. Die technischen Zerealien sind perfekt auf den 235 PS starken Renner abgestimmt.

Ein nach 90 PS aussehendes Auto mit einer zweieinhalbfacher Leistung zu fahren, macht einfach nur Spaß. Michael Baumann, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, genießt seinen Ascona B, mit dem er hauptsächlich zu Treffen unterwegs ist. Infiziert von seinem Onkel Martin, der in der Hecktriebler-Szene Südbayerns kein Unbekannter ist, stieg er von BMW auf Opel um. „Ein junger Kerl wollte sich einen weißen Ascona B 1,9 mit roter Innenausstattung und nur 31.000 Kilometer auf der Uhr herrichten“, erinnert er sich. Es blieb bei dessen Absicht. Michael hatte nun alle Hände voll zu tun, konnte sich glücklicherweise im Fall des Falles auf seinen Onkel verlassen. Trotz des guten Zustands des im Original erhaltenen Asconas verringerte sich das temporäre Leergewicht auf das der Rohkarosse. Originallack und kleine Roststellen fielen dem Schleifpapier zum Opfer. Der Ascona trägt das Prädikat „ungeschweißt“, der Lack das Prädikat „von Mercedes Benz“. Das ähnliche Blau von Opel war Michael eine Spur zu dunkel. Nachdem der Lackierer Marioihm die Farbkarte von Mercedes vor die Augen gehalten hatte, war die Entscheidung für „Wisteriablau“ gefallen.

Ein „Zweivierer“ trieb zunächst den Ascona an. Nachdem in Köln ein Mantzel m2700 angeboten wurde, schallten im Niederbayerischen Ruhmannsfelden die Alarmglocken. „Der in Teilen zerlegte Motor lief in einem Kadett C Coupé und wurde direkt bei Mantzel gekauft“, sprach der Verkäufer am Telefon und nachdem Einigkeit über den Kaufpreis herrschte, machten Michael und seine Freundin Karina einen Tagestrip in die Domstadt. Motorbauer Kurt, der schon vorher einige Maschinen auf Vordermann gebracht hatte, inspizierte den Mantzel und trennte Gutes von nicht mehr ganz so Gutem. Die Suche nach einer unverschlissenen Kurbelwelle, neuen Kolben und verstärkten Pleueln dauerte fast ein Jahr. Der Motorraum des Asconas gab die 1:1 Übernahme des m2700 nicht her. Kurt fräste Halterungen, baute Anschlüsse, verbesserte die Kühlung und warf zudem ein näheres Auge auf die Kurbelwellen Entlüftung. Die frei programmierte Steuerung von Trijekt würde Rennsport ermöglichen. Kurt optimierte die Steuerung mit dem „Straßen-Setup“, um den Motor auf Dauer nicht zu überlasten. Freilich wären mehr als die auf dem Prüfstand gemessenen 235 PS möglich, was allerdings die Zuverlässigkeit  beeinträchtigen würde. Nicht verfügbarer Platz verhinderte den Einbau eines Lexmaul-Fächerkrümmers. Michael rasierte zunächst die Verrohrung ab und bog unter der Prämisse eines geringen Rückstaus neue Kurven, die zudem dem kaum vorhandenen Platz gerecht werden. Im Alltagsbetrieb ist die Kombination des 240er Getrag-Getriebes mit der Sachs-Sportkupplung kaum zu empfehlen. Ordentlich reindrücken muss man das Kupplungspedal. Die Sachs-Sportkupplung kommt knallhart. Um in die Arbeit zu kommen, hält Michael sein „Alltagstier“ Astra H auf Trab.

Eingeschweißte Verstärkungsbleche stabilisieren die auf PU-Buchsen gelagerten Achsen. Die 75%ige Hinterachssperre verhindert, dass der Ascona beim Beschleunigen zum Tanzen auffordert. Modifizierte Bodenventile aller Koni Dämpfer ermöglichen eine straffere Einstellung. Ein Weichei ist die Limousine wahrlich nicht. Auch nicht beim Bremsen. Dank der geringen Einpresstiefe von 5mm der 14-Zoll Schmidt TH Line ließen sich die vorderen Scheiben des Senator A 3.0 und hinteren des Golf G60 installieren. Aus dem Erfahrungsschatz von Martin und Gfäll resultieren auch der Bremskraftverstärker des Rekord 1,8 und der Hauptbremszylinder des Monza 3.0. Normalerweise sind Reifen kein Unterhaltungs-Thema. Die Kombination aus 195-45×14 und 225-40×14 mangels Verfügbarkeit schon. Ein  Reifenhändler sprach „Drei kann ich bestellen“. Nach mehreren Telefonaten tauchten am Horizont die Wunschgrößen auf. Ob Toyo diese 14 Zöller irgendwo noch auf Lager hat?

Was wie eine Original-400er Ausstattung aussieht, ist eine Nachfertigung aus England. Ein Regensburger hatte den Stoff weben lassen und ihn zum Verkauf angeboten. Michael ließ die Sitze ledern, neu aufpolstern und mit dem Stoff beziehen. Abgesehen vom Raid Holzlenkrad ist der Innenraum ansonsten original. Sogar das Blaupunkt Radio besitzt seinen angestammten Platz. Warum eine moderne Anlage? Warum Löcher für Lautsprecher bohren? Wer die pure Kraft unter dem Hintern spürt, braucht keinen Krach in den Ohren. Der BlauREGen-Ascona ist ein perfektes Beispiel für „Mehr Sein als Schein“

fotografiert am 16. September 2015 beim Opeltreffen in Wackersdorf auf dem (Segel)Flugplatz Schwandorf

Opel Ascona B 1,9 (1978)

Motor:  Mantzel m2700, (2660 ccm)  CIH Reihenvierzylinder, 45er VGS-Drosselklappen, frei programmierbare Motorsteuerung von Trijekt, Dbilas 306 Grad Nockenwelle, 41/46 Ventile, verstellbares Nockenwellenrad, Aluschwungrad, erleichterte Kurbelwelle, Zylinderkopf bearbeitet, vergrößerte Ölwanne mit Schwallblech, Racimax Ölkühler 14 Reihen, Spall E-Lüfter, offener K&N Luftfilter, Schaltwegsverkürzung Eigenbau, viele gefräste Spezialteile, größere Bosch Benzinpumpe für mehr Benzindruck

Auspuff: Jetex Ray 63,5mm, modifizierter Lexmaul Fächerkrümmer

Leistung (max): 235 PS / 330Nm

Kraftübertragung: 5-Gang Getrag 240, verstärktes Messing Ausrücklager, Organische 9 Zoll 6 Punkt Sachs-Sport-Kupplung

Vorderachse:  Original Ascona B verstärkt und mit PU-Buchsen gelagert, Versteifungsbleche

Hinterachse: Original Ascona B 3,67 Übersetzung, Edelstahl Zugstreben Uniball gelagert, 75% Sperre vorgespannt

Fahrwerk (va/ha):  Mantzel 60mm Federn, gekürzte Koni Gelb mit geänderten Bodenventilen

Felgen (Herst./Größe): Schmidt TH Line 8×14 et 5/ 9×14 et 5

Bereifung (Herst./Größe):  Toyo Proxes/ 195-45×14, 225-40×14

Bremsen(vo/hi): Scheiben 271×22 aus Senator A / Scheiben 256×10 aus Golf G 60, größerer Bremskraftverstärker Rekord 1,8, Hauptbremszylinder Monza 3.0

Weitere Extras:, Lack Wisteriablau (Mercedes Code MB394 ab 1983)

Interieur: Ascona B 400 Ausstattung, Original Optik größtenteils beibehalten, 34er Raid Holzlenkrad, Instrumentarium aus Ascona B Sport mit Drehzahlmesser

ICE: Original Blaupunkt Radio mit originaler Boxen im Armaturenbrett

Danksagung: Onkel Martin (Karosserie), Gfäll (Elektrik), Kurt (Motorenbau), Karina (tatkräftige Unterstützung).

Text & Fotos:Heinz Bauriedel für Opel Flash 4/2016, reloaded für Tuningcars am 17. Juni 2021