Ingo Weißflog teilt sich den Nachnamen mit dem besten Skispringer Deutschlands. Während Jens zu aktiven Zeiten seine Prioritäten zwischen Absprung und Aufsetzen setzte, konzentriert sich der Maschinenbauer darauf, dass sein Taunus nicht wirklich abhebt.

Von außen sieht man dem mausgrauen Taunus XL garantiert nicht an, was in ihm steckt. Eine kleine 1.3 deutet auf den mit 55 PS angegebenen Vierzylinder V-Motor hin, dem schwächsten im Bunde der damals für den „Knudsen“ erhältlichen Aggregate. Pures Understatement! Wie Namenskollege Jens konnte sich Ingo von Saison zu Saison steigern, genauer gesagt, die Leistungsbereitschaft seines Autos wuchs beständig. Zunächst mit einem 1,6 Liter Tauschmotor, später mit 2 Liter Maschinen (Vier- und Sechszylindern) bestückt, wurde der Taunus zwischenzeitlich von einem 2,3 Liter befeuert. Darauf  trat ein 2,6er aus einem Granada seinen Dienst an. Zufällig erfuhr Ingo von einem Taunus mit der Serienmaschine des Capri 2,8 Liter Turbo mit 188 PS. Nur eine Woche später standen beide „Taunüsse“ nebeneinander ihrer Motoren entledigt. Um Flüssiges in die leere Kasse zu spülen, erhielt der Neueinkauf den 2,6 Liter und wanderte zurück auf den Gebrauchtwagenmarkt. Die berechtigte Frage, warum Ingo nicht seinen 2,6 Liter Knudsen weiterverkauft hat, klingt nachvollziehbar. Er hatte das Auto bereits zum zweiten Mal restauriert. Doch davon später.

Ohne Zweifel hat ein 188 PS starkes V6-Turboaggregat leichtes Spiel mit dem knapp über eine Tonne schweren Taunus. Der Lockruf nach noch mehr Leistung verhallte nicht ungehört. Den Feinarbeiten an Ansaugtrakt und Zylinderkopf, sowie eine beim Ford Händler gekaufte scharfe Nockenwelle (genaueres ist nicht mehr nachvollziehbar) folgte die Abstimmung des Auspuffs. Hinter dem Hosenrohr des Capri 2,8i schließt sich ein Vorschalldämpfer mit einem durchgehendes Rohr bis Ultimo an. Der Endschalldämpfer musste wegen des extremen Staudrucks und dem dadurch resultierendem Leistungsabfall weichen. Der finale Test auf dem Motorenprüfstand brachte die Wahrheit ans Licht. Bei auf 0,7 bar erhöhtem Ladedruck leistet das pure Aggregat satte 202 Kw (235 PS). Vor der offiziellen Zulassung, der Umbau geschah vor dem 07er Kennzeichen,  mussten natürlich die Nebenaggregate mit der Power harmonieren. Die Verzögerung übernehmen Bremsanlagen des Capri 2,8i vorne und des Capri RS hinten. Auch die Getriebe-Kupplungseinheit tat einst in einem 2,8i ihren Dienst.

Der Taunus hatte kurz nach der Wende und vor der Ausrottungsaktion ungereinigter Fahrzeuge den Weg von Köln in den Hansekreis Wismar gefunden. „Das Autos war ein Wernermobil mit viel Bierflaschen innen und dem bekannten Schriftzug der langnasigen Bröselfigur auf dem Blech“ erinnert sich Ingo. Nach einer halbherzigen Grobrestauration mangels Erfahrung folgte der detaillierte Zugriff im Jahr 1998.

Sinnvoller als die Frage nach den ausgetauschten Teilen ist die Auflistung der tatsächlich existenten Originalteile des Ford Taunus XL 1600 aus dem Jahr 1975: Das Dach und einige Teile der Bodengruppe. Nein, die Lackierung stammt nicht aus der Palette des Audi TT, sondern aus der RAL Farbkarte. Auch das Verkehrsorange der Streifen wäre jederzeit nachvollziehbar. Das Interieur zeigt sich zeitgenössisch und unverbastelt, so fanden Granada Instrumente ohne zu Murren Platz im Instrumententräger. Ein 34er Raid, ein Stifter-ähnlicher Schalthebel und überlebenswichtige Zusatzinstrumente wie Öl- und Ladedruck ergänzen das ansonsten serienmäßig ausgerichtete  Datenblatt. Weit vor der Installation des 2,8er Turbos brachte Ingo das Fahrwerk auf Vordermann. Um 50mm gekürzte Koni und KAW Federn fanden per Einzelabnahme ihre Genehmigung. Anfang der 90er bot D&W noch Mangels Räder in 7×13 Zoll an. Ein klassisches Rad für eine bodennahe Rakete. Und die gilt es zu erhalten, denn ein derartig starker Taunus ist seltener als ein 6er mit Zusatzzahl.

fotografiert am 5. Mai 2005 beim Ford-Himmelfahrtstreffen in Gröden

Ford Taunus, Baujahr 1975

MOTOR: 2772 ccm Sechszylinder ohv, Solex Fallstrom Doppelvergaser mit Garrett-Turbolader, Ladedruck auf 0,7 bar erhöht, scharfe Nockenwelle, 235 PS

AUSPUFF: Hosenrohr, kein Kat, Serienanlage ohne Nachschalldämpfer, Profex Endrohre

GETRIEBE: 5-Gang Getriebe und Kupplung (Capri 2,8)

FAHRWERK:  Koni Dämpfer (50mm gekürzt), KW Federn

BREMSEN:  Innenbelüftete Scheibenbremsen (Capri 2,8), Trommelbremsen Capri RS

RÄDER: Mangels in 7×13 Zoll ET 25, VA: 185/60R13, HA: 205/60 Goodyear

KAROSSERIE: Komplett restauriert, schiefergrau unbekannter Herkunft mit Verkehrsorange

INTERIEUR: Raid 34er Lenkrad, Taunus Cockpit mit Granada Tacho und Drehzahlmesser,

Text & Fotos: Michael Kolb für Ford Drive 6/2006, reloaded für Tuningcars am 3. Juni 2021