Was Markus Nachtmann in über 10 Jahren in seinen Corsa A eingebaut und bis zur Perfektion modifiziert hat, wäre ein Buch wert. Die geöffnete Motorhaube sorgt bei Treffen grundsätzlich für Traubenbildung und die Beantwortung vieler Fragen füllt einen großen Teil seiner Zeit aus, vergleichbar mit dem Platz wie es das Datenblatt benötigt. Fertig zum Abheben, Markus?

Der Ritt auf dem Co-Pilotensitz ist so einfach nicht, zumindest wenn man sich als „schlechter Beifahrer“ zu erkennen gibt. Der Corsa verschluckt die Straße wie eine Schlange ihr Opfer. Gnadenlos massieren Sportsitze und Sportfahrwerk dein Rückrad. Ab 270 km/h wird es richtig ungemütlich, bemerkt Markus nebenbei. Ohren brauchen keine Hochtöner, Mitteltöner und Subwoofer schon zweimal nicht. Die ohrenbetäubende Symphonie aus Motor, Fahrwerk und Auspuff würde keine künstliche Klangbildung zulassen. Nachtmann, was hast du getan? „Alles nur Spaß“, entgegnet der Tiefdrucker. Er geht nicht auf die „Meile“, um sich dort um Hunderstelsekunden herumzuprügeln. Lieber setzt er seinen Sohn auf den Fahrersitz, um mit einem Foto zu dokumentieren: „Leute, die Szene der Opel-verrückten Schrauber stirbt nicht aus und hier ist mein Beitrag!“

Frühjahr 2000: Es war einmal ein kleiner 1,4i, dessen Leistung nach Planen des Kopfes, Polieren der Kanäle und Modifikationen an der Jetronic blitzsaubere 90 Pferde anstatt deren 60 auf den Asphalt nagelte. Den Umbau auf 2-Liter (C20NE) nahmen Markus und Kumpel Thomas in Angriff, nachdem dessen Ascona C den Kampf gegen einen Baum verloren hatte. Wir berichteten in Ausgabe 1/2005 von der ersten Phase des 2-Liter-Motortunings. Jahr für Jahr wurde die Leistung gesteigert, um Mitte 2007 mit einem Nachbau des Garrett GT28/60 einen vorläufigen Höhepunkt zu finden. Der Block war längst mit klassischen Tuningmaßnahmen wie Schmiedekolben und Stahlpleuel verstärkt, sowie der Zylinderkopf auf Höchstleistung vorbereitet worden. Freilich lief nicht alles glatt in der nach oben verlaufenden Leistungsskala. Der qualmende „Billig-Turbolader“ brachte die Erkenntnis, das Qualität eben ihren Preis hat. Gleichzeitig verlieh der Schaden die nötige Motivation zum Überschreiten der nächsten Stufe.

Das fix-programmierte Steuergerät genügte nicht mehr den Ansprüchen. Nach Einbau des originalen Garrett GT28/71R Turbo und unzähligen Detailmodifikationen gab es nur noch ein Weg zur absoluten Motorkontrolle: Ein frei programmiertes Steuergerät musste her. Markus wandet sich an Flow Improver in Seevetal bei Hamburg, wo Firmenchef Dipl. Ing Müller auf alle Fragen die richtigen Antworten geben konnte. „Das Adaptronic Steuergerät wird nackt geliefert, sozusagen wie ein nur mit Bios ausgerüsteter PC“, erinnert sich Markus. Die Programmierung der einzelnen Parameter verlief dank des hervorragenden Supports recht flüssig und mit der Zeit konnten die ersten Erfolge verbucht werden. Den USB-Anschluss für den stets mitgeführten Laptop versteckt Markus unter dem Beifahrersitz. Nach ausgereifter Programmierung stellte er fest, dass selbst eine Steigerung des Ladedrucks wegen des handelsüblichen Irmscher-Saugrohres keinen weiteren Leistungsschub zugelassen hätte. Die neue Ansaugbrücke, die Verbindung von Zylinderkopf zu Sammler, mit innenliegenden Trichtern, wurde aus Vollmaterialblock gefräst. Ein weiterer Vorteil sind die zwei Einspritzdüsen pro Zylinder. Bis zu einem Ladedruck von 0,5 Bar treten die kleinen Primärdüsen in Aktion. Ab ungefähr 3500 Umdrehungen schalten sich die großen Düsen mit ein. Die Vorteile sind einerseits der günstige Spritverbrauch im Alltagsbetrieb. Andererseits steht die maximal abrufbare Leistung bereit, wenn es darauf ankommen muss. Ebenfalls Bivalent ist die Nahrungsaufnahme. Der Betrieb mit Bioethanol (E85) mit ca. 104 Oktan hat die Vorteile, dass Ethanol um ungefähr 100 Grad kühler verbrennt und zudem ein Liter nur 99 Cent (Stand Sommer 2010) kostet. Doch um den gleichen Lambdawert zu erreichen, müssen ungefähr 30% mehr Ethanol eingespritzt werden, womit sich der finanzielle Vorteil egalisiert. Die Umschaltung von Super zu Ethanol erfolgt manuell per Druckknopf.

Es klingt unglaublich, doch das F18 Getriebe hält der Kraft stand. Die Bremsen haben mit dem 890 Kilogramm leichten Federgewicht ebenfalls keine Probleme, da Markus das best-mögliche investiert hat. „An der Hinterachse darf er nicht überbremsen“, steht als oberste Priorität. Der Bremskraftverstärker des Omega B MV6 wird locker mit der ausgefeilten Anlage des flinken Corsas fertig.

In der Kritik standen wellige Radläufe, unsaubere Karosserieübergänge und zu kleine 13 Zoll Räder. Beeinflusst von Lancia Delta Integrale und BMW E30 M3 formte Markus Blechverbreiterungen nach seinem eigenen Geschmack. Die seitliche Lücke füllte er mit Schwellern des Corsa GSi, deren beidseitiger Anschluss zum optischen Einklang aufgefüllt wurden. Die Entscheidung für 15-Zoll ATS DTC beeinflusste vor allem das geringe Gewicht der Felgen mit Alu-Magnesium Legierung. Zudem spielte natürlich die mehrspeichige Rennsport-Optik ein entscheidungswürdiges Kriterium.

Als Markus zum ersten Mal vor über 10 Jahren zu einem Fototermin vorfuhr, beschwerten eine Menge Klangmodule den Innenraum. Reichhaltig sind nur noch die Anzeigen, die ausschließlich dem Wohlbefinden des Motors dienen. „Ist die Maschine gesund, freut sich der Mensch“ lautet eine ähnliche Werbebotschaft, der Markus die volle Zustimmung widmete. Er nimmt höchste Sicherheit in Anspruch, wobei er neben Recaro ProRacer Vollschalen mit roten 5-punkt-Schroth Gurten eine „historische“ ONS-Rennsportzelle installierte. Sicherheit bieten das vordere Gewindefahrwerk, ebenso wie die der Hinterachse montierten, verstellbaren Federbeine mit GAZ-Dämpfern, die den kleinen Flitzer im Zaum halten. „Klar, könnten wir ein Buch über meinen Corsa schreiben“ meint Markus. Alleine die geteilte Antriebswelle vorne rechts, die im Original beim Calibra Verwendung findet und mit einem selbst angefertigten Mittelstück ausgerüstet wurde, wäre einige bebilderte Seiten wert.

Opel Corsa A (1990) Serie 1.4i mit 60 PS

Motor:  1998 ccm-Reihenvierzylinder (C20NE), Betrieb mit Bioethanol (E85) ca. 104 Oktan, Verdichtung 8,0:1, Kurbelwelle stark erleichtert und feingewuchtet, Block mit Kolbenbodenkühlung, 12mm Blockversteifungsplatte, Stahlpleuel, Verdichtungsreduzierende C20LET Schmiedekolben, Kolben und Pleuel auf gleiches Gewicht gebracht,  Stahl ZKD, Z20LET SHW Ölpumpe mit speziellem Saugrohr, Drosselklappe Senator 3,0, K&N Filter, 2-teiliges mit innen liegenden Trichtern bestücktes Plenum-Saugrohr aus Vollmaterial gefräst, Einspritzdüsen 1x 240ccm + 1x 730ccm pro Zylinder, Betrieb mit 8 Düsen, Garrett GT28/71R Turbolader, Eigenbau Stoßaufladungskrümmer, Forge WG Dose, frei programmierbares Steuergerät Typ Adaptronic von Flow Improver, Nockenwelle Spezialanfertigung mit mehr Hub von Dblilas Dynamic für mechanische Stößel, ausgelegt für Turbobetrieb, Zylinderkopf mit Mechanischen Stößeln, Brennraum ausgefräst, Kanäle max. aufgeweitet, Benzin Catchtank mit Calibra Turbo Pumpe(hinten) und Motorsport Benzinpumpe nach dem Catchtank(vorne), 16-reihiger Ölkühler, Valeo Wasserkühler, Benzinkühler, Motorraum gecleant, keine Heizung und Lüftung, Batterie unter Armaturenbrett, Samco Schläuche, Ladeluftverrohrung 60mm V2A

Auspuff: 76mm Downpipe, 76mm Auspuffanlage Eigenbau mit Rohrbögen und selbst hergestellten Töpfen

Leistung (max): 231 PS bei 0,5 bar Ladedruck, 1,9 bar max Ladedruck

Kraftübertragung: F18 WR Getriebe, Schaltwegverkürzung Eigenbau aus Kadett E und Corsa A Teilen, Serien Calibra Schwungrad mit Sachs Sintermetall Kupplungsscheibe und verstärktem Druckautomat, Quaife Thorsen Differentialsperre.

Vorderachse:  verstärkte Querlenker mit Stabi und Zugstreben vom GSI, zusätzliche Rahmenstreben, Querlenker- und Domstreben, Achsstummel modifiziert für Audi Radlager, Antriebswelle links Ascona C, rechte Antriebswelle geteilt, gerades Stück Calibra, die Welle wurde selbst hergestellt, Rote PU Fahrwerksbuchsen

Hinterachse: Corsa GSI Stabi, Kadett GSi-16V HA Stabi nachgerüstet, PU-Fahrwerksbuchsen

Fahrwerk:  VA: Koni Gewindefahrwerk mit stärkeren Hauptfedern, HA: GAZ Gasdruck Federbeine, Höhenverstellbar per Gewinde

Felgen (Herst./Größe): ATS DTC (Alu-Magnesium) 8×15 ET20

Bereifung (Herst./Größe): Dunlop SP2000 / 195/45-15

Bremsen(vo/hi): 280mm Brembo Powermax Scheiben mit Willwood 4 Kolben Alusattel / HA Kadett E 16V Scheibenbremsen mit 33er Sätteln, Handbremse Eigenbau, Stahlflex Bremsleitungen, Omega B MV6-Bremskraftverstärker

Weitere Extras: Eigenbau Verbreiterungen in Blech, modifizierte Corsa A Gsi Seitenschweller, Karosserie verstärkt, Nähte im Vorderwagen doppelt verschweißt, Irmscher Grill, Front- und Heckschürze, JE Design Frontlippe für Polo III, Lüftungsschlitze in Karbon-Motorhaube und den Kotflügeln, 100mm Frischlufteingang für Luftfilter in Frontschürze, Tankdeckel in B-Säule verlegt, weiße Blinker, schwarze Heckleuchten von Fifft, Dach, Spiegel und Motorhaube im Carbon Look, Leergewicht 890 kg

Interieur: 32cm SWM-Lenkrad, Sitze Recaro pro Racer mit Schroth Gurte, modifizierte ONS Rennsportzelle, Zusatzarmaturen für Ladedruck, Benzindruck, Öldruck, Öltemperatur, Wassertemperatur, Lamdawert und Abgastemperatur, Eigenbau Tacho bis 280 km/h und 8000 U/min, Eigenbau Schaltkulisse, Feuerlöscher, USB-Anschluß für Steuergerät unter Beifahrersitz

Danksagung: Thomas, Autohaus Mitlmeier in Vohenstrauß , Thorsten Müller (Flow Improver), meiner Frau und meinem Sohn

Text & Fotos: Heinz Bauriedel für Opel Flash 1/2012, reloaded für Tuningcars am 7. Mai 2021
Text & Fotos: Heinz Bauriedel für Opel Flash 1/2005
Take 1: Michael Kolb für Opel Club & Trend 3/2000, fotografiert am „Flughafen“ Weiden Laatsch
aus Opel Flash 1/2005