Der bei Irmscher zum schönsten Opel Deutschlands gekürte Kadett B zieht ein 69`er Unikat am Haken, nämlich das einzige tiefergelegte Schwalbennest Europas
Ricky Heb weiß was er will, nämlich alte Opels. Auf der Suche nach einem Opel GT führte ein Opel Händler ihn und seinen Kumpel hinunter in die Tiefgarage, in der seit 8 Jahren ein „Hochwasserschaden“ sein letztes Stündlein erwartete. An den Tachoscheiben konnte man sogar noch den Wasserstand ablesen. „Lass die Finger weg!“ Doch Ricky wehrte die Warnungen des Opel-Händlers ab. Gegen eine Ablöse von 300 Mark zog er das Skelett dieses 72er Kadett B 1.0 in seine Werkstatt. Als erstes setzte er die Karosserie erneut unter Wasser, um den festgetrockneten Schlamm auszuspülen. Der folgende Anruf bei seinem Kumpel Achim Fischer, einem gelernten Karosseriebauer, löste eine fast zwei Jahre dauernde Restauration aus.
Im Prinzip besteht die Karosserie aus Neuteilen, die zum Teil selbst herausgedengelt werden mussten. Die Polsterei Leis aus Bieburg bezog das Interieur der mittlerweile in saharagelb lackierten Rohkarosse mit zweifarbigem Leder. Der bei ARO schaffende Kumpel Markus verlegte neue Teppiche und gab dem Interieur den letzten Schliff. Der Einliter glänzte in Chrom und saugte durch einen 40er Weber Vergaser. Gut soweit! Doch Rickys Wunsch nach einer stärkeren Maschine blieb immer präsent. In einem Anflug von Wahnsinn trennte er die Frontmaske ab und schweißte den Vorderbau auf den Raumbedarf eines 1,9 Liter Motors um. Er weitete den Getriebetunnel für die Aufnahme der 5-Gang Getrag Transmission. Doch als das Aggregat hinein gehoben werden sollte, stand der Rahmen im Weg. Der Träger wanderte um einige Zentimeter weiter nach vorne.
Die 1,9 Liter Maschine überzeugt mit Leistung pur. Dank zwei 45er Weber, 2-Liter-Kopf und klassischem Tuning wie scharfer Nockenwelle und Schmiedekolben leistet das Aggregat gemessene 160 PS. Passend zum Kraftpaket kommen neben der nachträglich kunststoffbeschichteten Vorderachse des Kadett B 1,9 die Scheibenbremsen des Rekord 2,2 Liter zum Einsatz. Die Hinterachse eines Opel GT ließ sich problemlos montieren. Zwar gab sich Ricky mit der Leistung zufrieden, doch in Sachen Optik fehlte noch der letzte Kick. Chrom und Politur haben viele, doch wie sieht’s aus mit Motorraumcleaning? Der komplette Kabelbaum wurde in den Rahmen verlegt. Der Scheibenwischermotor wanderte unters Armaturenbrett, die Batterie in den Kofferraum und die Zündspule unter die Frontmaske. Heizung und Mischbehälter braucht kein Mensch, also raus damit! Ricky verschweißte alle Löcher und flexte alle Überstände ab. Er schuf einen absolut sterilen und sauberen Motorraum.
Ein originaler Schwalbennest-Wohnwagen ist schwer zu finden. Vor allem im guten Zustand befinden die Kulties der 60er in unverkäuflicher Hand. Die Fahrt nach Hannover wird Ricky so schnell nicht vergessen. Außen total verdellt, innen bis zum Abwinken versifft und mit schwarzer Farbe überpinselt, hinterließ der Wohnwagen den schäbigsten Eindruck. Genau der richtige Job für einen Schlammwühler wie Ricky. Auf der Rückfahrt nach Hessen durfte der ADAC Einsatz zeigen, weil das Schwalbennest einfach so ein Rad abstieß. Der Wohnwagen wurde ausgerümpelt und erstmal richtig sauber gemacht. Der Unterboden wurde sandgestrahlt und die Achse kunststoffbeschichtet. Mit einer fetten Schicht Aluspachtel glättete Ricky die zerbeulte Haut. Das Schwalbennest muss zum Auto passen! Die Firma Leis bezog das Interieur mit gleichem Leder wie den Kadett. Aus seinem Wohnzimmer entführte Ricky alte Opel Schilder und seine Freundin Kerstin bezog den Dachhimmel.
Sowohl außen wie innen lehnt sich die Farbgebung an die Zugmaschine an. Auch die Räder sollten denen des Kadett gleichen, doch die 8×13 Zoll ATS Leichtmetallfelgen passten nicht unter den Wohnwagen. Mit der Stichsäge trennte er das Radhaus auf und setzte die selbst gefertigten Radläufe auf. Und dann kam der Moment der Momente. Zum ersten Mal hing der Wohnwagen an der Kupplung des Kadett. „Das sieht ja Scheiße aus!“. Erneut wurde die Flex ausgepackt, denn nun ging es der Achsaufnahme an den Kragen. Der Wohnwagen wurde regelrecht tiefer geschweißt. Schweißperlen standen auch Ricky auf der Stirn, denn der TÜV Termin rückte immer näher. Was? ATS am Wohnwagen? Wahnsinn! Der Prüfer war begeistert von der Performance des Gespanns. Ohne Beanstandung trug er die ATS Fünfsterner in die Papiere. Die 40mm Tieferlegung war ihm noch nicht einmal aufgefallen. „Die will ich auch eingetragen haben!“ Darauf bestand Ricky. Nachdem der Prüfer die Einzelabnahme vollbracht hatte, konnte er stolz bestätigen, dass er den einzigen tiefergelegten Schwalbennest mit 8×13 Zoll Leichtmetallfelgen in Europa abgenommen hatte. Seither ist „summer of 69“ auch bei Opel Treffen ein Tophit
Opel Kadett B, Baujahr 1972 mit Schwalbennest, Baujahr 1969
KAROSSERIE: Kompletter Neuaufbau mit teilweise selbst gedengelten Blechen, Eigenbaurahmen im Vorderbau, Front des 1,9-Liter eingeschweißt, saharagelbe Lackierung
MOTOR: 1,9 Liter (Ascona B) mit 2 Liter Kopf, 45er Weber Vergaser, 149 PS gemessen, Kabelbaum in Rahmen verlegt, Heizung demontiert, alle Locher zugeschweißt, Manta B Getrag-Getriebe
FAHRWERK: VA: kunststoffbeschichtete Achsen von Kadett B 1,9 Liter, Innenbelüftete Scheibenbremsen von Rekord 2,2 Liter, 2-Blattfeder GT Purty, HA: Opel GT Trommelbremsen, Jamex Federn, Koni gelb,
INTERIEUR/MUSIK: Dachhimmel selbst eingenäht, Leder, Teppich, Zusatzinstrumente, verchromte Pedale, verchromter Scheibenwischermotor unter Armaturenbrett
WOHNWAGEN:Komplettrestauration, runde Radläufe eingesetzt, Fahrwerk tiefergelegt, 8×13 Zoll Alufelgen, Sitze, Himmel mit Leder überzogen,