im Jahr 1985 gab Roland Schlüßel seinem Opel GT alles mit auf den Weg, was seinerzeit von einem getunten Auto verlangt wurde. Glücklicherweise hatte der TÜV-Ingenieur verdammt viel Ahnung von der Materie.
Nur unter Protest der Armmuskeln lassen sich 225/50er Pirelli zum Einlenken überreden. Servolenkung? Wir sind doch keine Weicheier und zerren am 34er Raid bis das Profil dorthin schaut, wohin der GT rollen soll. Die Ü-50 Leser werden sich gerne an die Fahrzeuge Mitte der Achtziger erinnern, in denen Breitreifen, Spoiler, Flügel und Schweller die Szene beherrschten. Dem Trend der Zeit folgten nicht nur Opel GT, Manta oder C Coupé. Markenübergreifend pflanzte man „Girlanden“ an und auf Ford Capri, Honda CRX und Toyota Celica, dass dem Puristen des Originalzustands heute die Augen tränen. Als Roland vor über 30 Jahren den GT umzubauen begann, galten Fahrzeuge im Originalzustand als nicht sehenswürdig.
Von US Car Meetings abgesehen, zogen damals „Typentreffen“ die Massen an. Um bei reinen Opel GT Treffen Mitbewerber im Kampf um Pokale auf Abstand zu halten, zählten breite Anbauten und knackige Lackierungen zu den besten Argumenten. Anbieter wie Mattig, Albrecht, Zender oder der ehemalige Alfa Romeo-Händler Zastrow aus Kranenburg befriedigten den Kundenwunsch nach Kunststoffteilen. Dass Roland sich für einen Bausatz der heute vergessenen Firma Winter entschied, macht seinen GT umso bemerkenswerter. Vor der Kür standen jedoch durchgreifende Restaurationsarbeiten des fünf Jahre zuvor gebraucht erstandenen roten GT auf seinem Plan. „Es waren halt übliche Bleche wie Kotflügel, Endspitzen und Schottbleche „erinnert er sich. Die verfaulten Radläufe an allen Kotflügeln zählten zu den auslösenden Faktoren für den Breitbau, dessen Anbauteile geklebt, vernietet und verspachtelt wurden.
Die US Cars der in Deutschland stationierten GIs präsentierten auf ihren Musclecars glänzende Metalflake Lackierungen, wie man sie in den Siebzigen sonst nur von Zeitungen her kannte. Lackierer hatte Roland im elterlichen Betrieb gelernt und zeigte sich begeistert von der neuen Technik. Auf den Basisfarbton „Gold“ brachte er Klarlack mit metallisch glänzenden Partikel auf und anschließend acht Schichten purem Klarlack, die nach jeder Schicht einen Zwischenschliff mit 800er Papier verlangen. Die das Blech streichelnde Sonne hinterlässt diesen wunderbar goldglänzenden Tiefeneffekt auf der „kleinen Corvette“.
Anfangs verloren sich 8×13 Zoll Räder in monströsen Radkästen. Dank eines Gutachtens durfte er auf 15 Zoll Schlappen hochrüsten. Die Entscheidung für 9×15 und 11×15 BBS RS100 Räder lag nahe, füllen sie doch mit ihrer 225/50er beziehungsweise 285/40er Bereifung die Radhäuser adäquat aus. Der durch Mattig 013-Federn erreichte Höhenverlust um ungefähr 5 cm betont die bullige Performance des Fahrzeugs. Auch gegen den dezent überarbeiteten Zweilitermotor eines Opel Coupé GT/E gibt es nichts einzuwenden, zudem die Bremsanlage den geforderten Ansprüchen angeglichen wurde. Die Bremsleistung zwischen den innenbelüfteten Scheiben vorne und hinteren großen Trommeln wird mittels Druckminderer reguliert.
Eine derartig knallige Farbgebung des Interieurs ist typisch für die damals von der von Musclecars beeinflussten Szene. „Ein Mann sieht Rot“. Wenn auch Charles Bronson in diesem 1974er Thriller ein anderes Thema verfolgt, für den Piloten des GT ist rotes Leder allgegenwärtig. Gelbe Instrumentenschächte betonen den poppigen Stil jener Epoche. Bedenkt man die fehlende Servolenkung, ist das 34er Raid wegen mangelnder Hebelkraft eigentlich viel zu klein. Freilich hat die HiFi-Anlage mit dem Blaupunkt Hamburg ebenfalls einige Jahre auf dem Buckel, doch die Live-Musik wird der im Motorraum ansässigen Familie Weber überlassen. Auf Opel-Treffen wird man den GT kaum zu Gesicht bekommen. Roland bevorzugt reine Oldtimer-Veranstaltungen rund um Hof, wobei er gemütliche Kaffeefahrten nicht ausschließt.
Der leider bereits verstorbene TÜV Ingenieur Werner Bauer R.I.P. war eine anerkannte Koryphäe unter Oldtimerfreunden und zeigte sich von dem Umbau begeistert. „Warum soll ich einem Auto das H-Kennzeichen verweigern, wenn es dem Zeitgeist entspricht und technisch besser ist als das Original?“ verriet er mir vor Jahren in einem persönlichen Gespräch. Selbst die Verfechter des Originalzustands müssen zugeben: Dieser GT ist ein unbedingt erhaltenswerter Zeuge der Achtziger Jahre mit zeitgenössischem Tuning, was auch alle zwei Jahre bei der TÜV-Abnahme bestätigt wird.
Opel GT (1969)
Motor: 2-Liter Vierzylinder CIH (aus C Coupe), 2×45 DCOE Weber Doppelvergaser,
Auspuff: Original
Leistung (max): 123 PS
Kraftübertragung: 5-Gang Getrag
Fahrwerk (va/ha): Mattig 013 Federn, Koni Dämpfer
Felgen (Herst./Größe): 3-tlg BBS RS100 / 9×15, 11×15
Bereifung (Herst./Größe): Pirelli / 225/50 VR15, 285/40VR15
Bremsen(vo/hi): innenbelüftete Scheiben/Trommeln
Weitere Extras: Winter Gfk-Umbausatz (Frontspoiler, Verbreiterungen, Seitenschweller) Köhler-Heckflügel,
Interieur: 2-Sitzer, rote Lederausstattung, 34cm Raid Lenkrad, Heigo Überrollkäfig,
ICE: Blaupunkt Radio, Pioneer Soft Chrome 2-Wege System