Trabant P50 GTI: Von 0-100 unter 6 Sekunden, 228 km/h Höchstgeschwindigkeit – wahre Sportwagenwerte in einem typischen DDR-Produkt? Sascha Fiß fährt zwar einen 59er Trabant, doch vom einst originalen P50 ist nur wenig Pappe übrig geblieben.

Blaue Wölkchen und das typische Zweitakt Geschnattere, so kennen wir die Trabbis dieser Welt. Der hier klingt anders. In den sportlichen 16V-Sound mischt sich das sonore Röhren der Edelstahlanlage. Was ist das Geheimnis des Diplom-Ingenieurs der Fahrzeugtechnik, der im Autohaus Scholz in Oelsnitz/V. für Spezialaufgaben zuständig ist? Pure VW Technik lautet des Rätsels Lösung. Klassische Optik gepaart mit modernster Technik ist das Fable des Ingenieurs.

neues Typenschild 1989

Der total gestrippte und an der A-Säule abgekappte P50 erhielt die komplette Trägerstruktur des Lupo GTI inklusive Spritzwand, Dome und Triebwerk. Das Auto wurde von innen nach außen aufgebaut, also zunächst die Technik untergebracht, anschließend die Außenhaut abgestimmt. Sascha verlängert den Vorderbau des Trabis um 6 cm, ablesbar am Windlaufblech vor der Scheibe. Mit viel gutem Willen hätte die Maschine und Kühlung auch ohne Verlängerung Platz gefunden, allerdings wäre der Fußraum des Fahrers auf ein Minimum geschrumpft.

Die Hinterachse eines 59ers P50 hätte die Kräfte nie und nimmer verarbeiten können. Sascha entschied sich für die komplette Hinterachskonstruktion des Polo 6N, die um 4cm weiter nach hinten versetzt mit selbst gebauten Aufnahmen verschraubt wurde. Die breite Achse verursachte durchgreifende Arbeiten am Seitenteil, da schließlich 7×15 Zoll OZ Racing aufgenommen werden sollten. Moderne Technik bedeutet auch moderne Schadstoffverminderung. Zwei Katalysatoren mit 2 Lambdasonden und OnBoard Diagnose reichen dennoch nur für Euro 2, weil der Trabi keine Tankanlage auf geprüfte Verdunstungsemission besitzt. Die in Eigenbau zusammengestellte Edelstahl-Auspuffanlage entspricht der Gruppe A Norm.

Tieferlegen des Daches, im Fachjargon unter Top Chop bekannt, erreicht man mittels zwei unterschiedlichen Möglichkeiten: Verstellen der Winkel an den Säulen oder Vergrößerung des Daches. Sascha zog letztere Methode vor, weil dadurch die charakteristischen Linien erhalten bleiben. Er zerstückelte die Dachhaut, fügte 11 cm in der Länge und 4 cm in der Breite dazu. Die gewölbte Heckscheibe besteht aus Makrolon. Alle anderen Scheiben wurden bei einem Glaser in Auftrag gegeben, der nach Härten der Sicherheitsgläser das Prüfzeichen eingravieren durfte. Natürlich schmücken den P50 einige Details, die der 59er noch nicht kannte: Rücklichter mit orange Blinker, Alu-Tankdeckel aus dem Motorrad-Zubehör, weiße Frontblinker des Mini Cooper. Die Lackierung dürfte allseits bekannt sein: Audi TT, was sonst?

Der insgesamt um 10 cm längere Radstand kommt hauptsächlich dem Innenraum zu gute. Zwischen den Pappen wurde in Anlehnung an den Audi TT gebaut. Die Farbe der nachträglich bezogenen Recaros kommt dem nahe, allerdings wurde vom Sattler aus technischen Gründen nicht der „Baseball-Look“ vernäht. Das Cockpit ist eine Mixtur aus Lupo GTI Instrumenten gepaart mit TT-Lüftungsdüsen. Die Instrumente wurden nicht nur wegen dem verlegten Kabelbaum übernommen, sondern hauptsächlich weil sie Gefallen fanden. Das 32er Raid liegt gut in der Hand. Die originale Seilzugschaltung ist knackig und kurz und die TT-Streben der Mittelkonsole vermitteln noble Sportesse. Der Käfig ist mit den tragenden Stellen verbunden und besteht natürlich aus einem selbst entworfenen Gestänge.

Was sagt eigentlich die Dekra dazu? Dem Umbau ging eine Planung unter Ingenieuren voraus. Die technischen Details checkte man im Vorfeld ab. Da der zuständige Dekra Ingenieure sowieso alle 14 Tage zu den technischen Abnahmen der Kundenautos  im Autohaus Scholz zu tun hatte, konnte er immer einen Blick auf den Fortschritt des Trabanten werfen. Die Verifizierung passierte in einer einzigen Einzelabnahme.

So steht er da. Ein Trabant, der auf der Achtelmeile eine verdammt gute Figur abgeben könnte. Doch das ist nicht das Ziel und Zweck seines Erbauers. Spaß an der Technik, das Mögliche auszuloten und in die Realität umzusetzen, lauten des Diplom-Ingenieurs Prioritäten. Übrigens: Beim Internationalen Trabantfahrertreffen in Zwickau ist der P50 TT GTI unter den Hardlinern weniger beliebt, weil er selbst in der Tuning-Bewertung den Rahmen des Üblichen sprengt.

Trabant P50 GTI,  Baujahr 1959/1989

MOTOR:  1,6 Liter (1598 ccm), 16V, (Motorcode AVY), Multi-Point-Einspritzung sowie alle Nebenaggregate aus Lupo GTI, OBD, 125 PS mit Sechsganggetriebe (228 km/h, 0-100 unter 6 sek)

RÄDER: O.Z Racing Superturismo in 7×15 Zoll ET 37, an HA 25mm Distanzscheiben, mit 195/45 Dunlop

FAHRWERK: Komplette Vorderachse,  Federn und Dämpfer Lupo GTI, HA: Verbundlenkerachse Polo 6N

AUSPUFF: Gruppe A Eigenbau mit einem Nachschalldämpfer, Katalysatoren mit 2 Lambdasonden (Euro 2)

INTERIEUR: Lupo GTI Cockpit, verkürzte Seilzugschaltung, 32er Raid, Recaro Sitze nachträglich bezogen, Lüftungsschlitze und Mittelkonsole Audi TT, Käfig mit Eigenbaustreben,

EXTRAS: Top Chop um 7 cm, Dach um 11 cm verlängert und um 4cm verbreitert, Scheiben Sonderanfertigung, Lupo Vorderbau, Windlauf um 6 cm, Hinterteil um 4cm verlängert, (=10 cm längerer Radstand), Seitenteile und Kotflügel weiße Blinker Mini Cooper, Lupo Bi-Xenon Scheinwerfer, Rückleuchten mit orange Bremslicht, Lackierung: Audi TT

michael kolb für Autotuning 7/2005. Fototechnisch war 2005 mein persönliches Chaosjahr. Einerseits versuchte ich komplette Fotostrecken digital zu fotografieren, andererseits verlangten die Verlage Dias. Der erste digitale Versuch fand am 26. März 2005 mit der damals brandneuen Canon-1D Mark II statt, der zweite folgte am 2. April. Die Veröffentlichung in der AT ist ein Mischmasch aus Dia und Digi. Reloaded für Tuningcars am 4. April 2021