Lassen wir Zahlen sprechen: 68er Oldsmobile 442 mit auf 462 gebohrten 455ci. Der Markenname Oldsmobile steht für sorgfältig konstruierte Autos, die in vielen Bauteilen hochwertiger und aufwendiger waren als die von Chevrolet und Pontiac. 1. Einer der interessantesten Olds nennt sich 442. 2. Der stärkste jemals von Oldsmobile verwendete Motor besitzt  455 ci. 3. Die Sechsgang-Transmission baut Richmond auf Bestellung. Drei Faktoren, die diesen 442 einmalig machen.

Karl Neumüller, Präsi von den Customizers East aus Hof, hatte sich bereits Mitte der Achtziger mit dem US-Car- Virus infiziert. Nach einem 57er Chevy und einem 70er Dodge Challenger hatte es ihm ein gigantisches mattschwarzes Schiff, ein 68er Oldsmobile Delta88 mit 455er Big Block angetan. Nach einer Havarie war dieser komplett und mit allerhand Performance-Teilen sehr aufwendig neu aufgebaut worden. Der Motor ging wie die Pest, was dem Delta noch fehlte, war eine gesperrte Hinterachse.

Genau diese fand Karl im gerade einmal 50 Kilometer entfernten Bayreuth in einem seit über 30 Jahren abgestellten Oldsmobile 442, der in einer Gartenlaube vor sich hinschimmelte. Der Olds aus Schweizer Produktion (General Motors Suisse SA – Bienne von 1934 bis 1975) war 1968 mit feinsten Dingen an Bord als Neuwagen in Deutschland verkauft worden: 400-er Maschine, gesperrter Achse und sogar mit innen belüfteten Scheibenbremsen mit Vierfach-Kolben (nur 1968 bei GM in Serie, 1969 verbaute man wieder Billig-Bermsen). Der Erstbesitzer fuhr den 442 nur ein paar Jahre und stellte er ihn aus unbekannten Gründen in die Gartenlaube. Verkaufen wollte er ihn jedoch nicht, so dass 2002 viel Überzeugungsarbeit nötig war, um das mittlerweile mit beiger Farbe übertünchte Coupe als Teileträger nach Hof zu entführen.

Bei genauerer Durchsicht stellte sich heraus, dass der Hinterachsenspender in spe vor allem oben herum unendlich gammelig aussah, sein Zustand sich aber wesentlich besser erwies. Der Unterboden zeigte sich rostfrei, Dellen und Schäden konnte Karl nicht entdecken. Sogar der Motor sprang nach 30 Jahren nach einer Öltransfusion an und lief weich und kräftig. Dann fällte er die Entscheidung, dass dieser 400-er Motor auch im Delta88 noch für Fahrspaß sorgen kann, während 455er das Gammelcoupe nach einem Neuaufbau zum Superolds schlechthin machen würde! Kennt man das nicht irgendwoher? Wenn die Verzückung erst einmal im Kopf ausgebrochen ist, dann hat sich schon mancher im US-Car-Hobby an ein weit größeres Projekt gewagt, als er jemals wollte.

Neun lange Jahre hat die Verwirklichung des Traums gedauert. Die Rechnungen, die dazu über den großen Teich flitzen mussten, verhinderten eine allzu schnelle Umsetzung. An der Karosserie gab es im Dachbereich etliches zu schweißen. Alle Verschleißteile, die noch NOS (New Old Stock, 1968er Neuteile) verfügbar waren, verbaute Karl am 442. Darunter eine originale Ram-Air-Induction, deren Lufteinlässe unter der Stoßstange liegen, sowie den zugehörige Luftfilter,. Rote Innenfender waren ebenfalls aufzutreiben, nicht mehr jedoch ein Kofferraumdeckel, nicht einmal in den USA. Zum Glück konnte dieser, sowie die Inneneinrichtung wieder aufgearbeitet werden.

Sehr viel Mühe verwandte er auf das Instrumentenbrett. In vielen Stunden Arbeit wurde die ganze Elektrik frisch verlötet, ausgehend von einem neuen Kabelbaum. Zusatzinstrumente wurden eingepasst und der Tacho auf Null zurückgestellt. Die Tasten des klassischen Radios sind mit der modernen Anlage im Handschuhfach verbunden. Karls Ziel war eine „verbesserte Restaurierung“, die den Charakter des Wagens unangetastet lässt und das Ambiente des ursprünglichen Fahrzeugs bewahrt. Modifikationen wurden nur an den Stellen vorgenommen, an denen es eine echte Verbesserung geben kann. Aus diesen Gedanken heraus wählte Karl klassische Vintage Wheels mit „nur“ 235-er Bereifung hinten.

Die größte Abweichung vom Original sind Motor und Getriebe. Während der 455er auch von Hurst verbaut wurde, wollte Karl das TH-400 Automatikgetriebe nicht wirklich beibehalten. Frei nach dem Motto. Es gibt zwei Dinge, die Du für mehr Leistung tun kannst: Mehr Hubraum und raus mit der Automatik. „Four on the floor“ wären besser als Automatik, traumhaft jedoch ein modernes Sechsganggetriebe. So etwas gibt’s leider nicht über den Ladentisch, oder? Doch! Für genügend Scheine fertigt der Hersteller Richmond in Virginia derartige Getriebe auf Bestellung mit gewünschten Übersetzungen und passend zu den serienmäßigen Schraubmustern. Das ist dennoch einfacher gesagt als getan: Als das Getriebe eingetroffen war, musste er die Kurbelwelle des Motors in die Drehbank spannen, damit sie den Dorn des Getriebes aufnehmen konnte. Was bedeutete, dass der bereits verbaute 455er nochmals demontiert werden musste.

am Start bei der „kleinen Meile“ in Helmbrechts gegen den Dodge 330 von Christopher Hahn
nach ca 100 Meter lag der Olds vor dem Dodge (Ausgang ist mir unbekannt)

All die Anstrengungen haben sich sichtlich gelohnt. Jetzt, 2014, steht sein Oldsmobile 442, hochgerüstet zum „Traum-642“, (Sechsganggetriebe-Vierfachvergaser-Doppelrohrauspuffsystem), fahrbereit auf der Straße. Karl muss sich erst daran gewöhnen, dass die Berge von jahrelang liegenden Einzelteilen, tatsächlich wieder zu einem weltweit ziemlich einmaligen Auto geworden sind. Die 442-Reihe von Oldsmobile gehörte nicht zu dem Standart Muscle-Cars, selbst die Szene hat sie bisher nicht wirklich entdeckt. Speziell der 68er mit seinen weit auseinander stehenden Doppelscheinwerfern hat ein eher ungewöhnliches Gesicht. Diese Front, die fehlenden seitlichen Falze und die horizontalen schmalen Rückleuchten, die es nur 1968 so gab, machen speziell diesen Jahrgang für Karl Neumüller zum schönsten je gebauten Olds. Und in seiner Version zu einem der Schnellsten.

geteilte Doppelscheinwerfer beim 68er Oldsmobile 442
Zum Vergleich: 70er Oldsmobile 442 (im Museum Volo)

1968er Oldsmobile 442

Motor: Oldsmobile-V8 455ci aufgebohrt auf 462 ci, 850er Speed-Demon Vierfachvergaser, Kompression 9,58:1, Crower hydraulic 276er Nockenwelle, Performance Alu-Manifold, Headers, Air Force Induction, elektrische. Cut Outs, Keith Black Kolben, dished UB 132

Kraftübertragung: Richmond Sechsgang Transmission mit hydraulischer Kupplung, große Spreizung der Übersetzungen, gesperrte Original-Hinterachse (2,56:1)

Vorderachse: Eibach Federsatz, ca. 5 cm tiefer, alle Buchsen neu

Hinterachse: Stock mit Alu W27 Cover

Bremsen: vorne: innenbelüftete Scheibenbremsen mit 4-fach Kolben, hinten: Trommelbremsen

Räder: Vintage Wheels Works / vorne: 7×16 Zoll, hinten: 8×16 Zoll

Reifen: Cooper vorne 215/60 – 16, hinten 235/60 – 16

Innenraum: Originale Ledersitze, gravierte Olds-Embleme, verchromte Überrollbügel, 3 Zoll Drehzahlmesser und Zusatzinstrumente von Autometer, Hurst Shifter, Feuerlöscher

Sonstiges: Lackierung Cevron white matt, Unterboden Creme white seidenmatt

Danke an: Ronny Hladik, Frank Richter, Christian Schaller, Chrissi Hahn, Manfred Richter; Lebensgefährtin Bärbel und den Customizers-East

Text: Stefan Ansorg, Bilder: Michael Kolb – bisher unveröffentlicht – wurde 2014 vom damals neuen Chefred der Chrom und Flammen abgelehnt