So tief und so breit wie möglich – 72er Escort I. „Die fränkischen Winter sind lang“, sagt Wolfgang Bärtl. Damit Langweile nicht Oberhand gewinnt, kümmert er sich regelmäßig um die Erweiterung seiner Ford Sammlung. Die Optik der historischen BDA Rennsport-Escorts hat ihn schon immer fasziniert.

Ob „Knochen“, Taunus in Orange oder sein Mondeo ST220, die Fahrzeuge des Sanitär-Installateurs  sind gerne gesehene Gäste in der Ford Drive. In Wolfgang steckt Bastel- und Sammel-Leidenschaft zugleich und wenn der Winter vor der Tür steht, müssen Schweißgerät und Schraubenschlüssel Hochkonjunktur feiern.

Ein Anruf von Wolfgang ins Ruhrgebiet genügte. Klaus Blasum aus Hamm zählt zu den Göttern der Escort Szene und der Klaus weiß immer, wo ein verranztes Escort-Gerippe herumlungert. In diesem Fall parkte es sogar auf seinem eigenen Terrain. Wahrlich, es war ein „Knochen“ im Zustand 5-6 mit einem 1100er Kent-Geschwür im Bauch. Für ein schrottreifes Chassis mit Brief lässt Wolfgang seinen Hänger gerne 500 Kilometer hin und 500 Kilometer retour rollen, um seine Werkstatt endlich wieder mit Futter zu versorgen. Restaurateure wie der Bärtl sind eigenartige Menschen.

20 Jahre Fordmania spülten ein Meer an Ersatzteilen in Wolfgangs Lagerräume, aus denen er wieder reichlich schöpfen konnte. Der „Schmale“ sollte so breit und  tief wie möglich werden, deshalb durchpflügte er seine Capri-Ecke. Zum Vorschein kam die um 6cm breitere Capri III 2,8i Hinterachse, die er mit den Aufnahmen der Einblatt-Feder des Escorts in Einklang brachte. Das Gewindefahrwerk an der Vorderachse konstruierte er aus Capri 2,3er Federbeinen, denen er Gewindehülsen anschweißte. Typisch für Wolfgang hört sich die Beschaffung der 3-teiligen BBS Magnesium Rennfelgen an: „Sie sind mir irgendwann über den Weg gerollt“. An den satt ausgelegten 9×13 Zöller mit negativer Einpresstiefe orientierte sich der Blechbau.

Escort I BDA, altgediente Escortler kommen ins Schwärmen beim Gedanken an die auf der Rundstrecke herumtobenden „Knochen“. Wolfgangs Escort ist kein Nachbau im Sinne einer vollkommenen Kopie, sondern eine Anlehnung an den „BDA“, garniert mit eigenen Ideen. Nachdem er Chassis und Gerippe vom Rost erlöst hatte, begann die kreative Seite. Wolfgang beschaffte originale Kotflügel und Seitenteile, sowie die BDA-Verbreiterungen. Allerdings hielt die Breite an den Seitenteilen mit der „negativen Einpresstiefe“ nicht stand, weshalb die Verbreiterungen zusätzlich herausgetrieben werden mussten.

Der Pilot wirft den Blick zurück durch klassische Talbot Spiegel auf einen Hintermann, der sich auf die Rennstrecke verirrt fühlen muss. Spoiler an Front und Heck stammen aus dem RS Programm und fügen sich hervorragend in das Konzept ein. Der Escort ist ein wunderschönes Auto im Racing Look ohne Stoßstangen. Anstatt der damals üblich weißen Lackierung fiel Wolfgangs Entscheidung auf Fords Stratossilber im rot-grün gestreiften Castrol Layout.

Die bequemste und preisgünstigste Art ein zuverlässiges Aggregat zu finden nennt sich „Sierra-Schlachtfest“. Der OHC-Reihenvierer aus einem frühen Sierra der ersten Generation war ein gut ausgeruhter Motor (Originalton Bärtl), der auf keinen Fall überbeansprucht werden sollte. Wolfgang beabsichtigte einen „langfristigen Motor“ zu bauen, ließ deshalb alle leistungssteigernde Tricks beiseite und konzentrierte sich auf überdurchschnittliche Zuverlässigkeit. Hochwertige Peripherie wie Kühler, Pumpen und Lüfter würden für eine höherer PS Zahl als die geschätzten 125 Pferde taugen.

Zur Fütterung verpflichtete er einen 45er Weber, so wie er in vielen RS2000 Mk1 verwendet wurde. Hinter dem RS Fächer schließt sich ein durchgehendes Rohr an, das in den Endtop eines RS2000 mündet. Direkt aus dem Rennsport stammt die im 7:3 Verhältnis ausgelotete Waagebalkenbremse, deren Verteiler sich im Fußraum befindet..

Klassisch gibt sich das Interieur. Ein gekröpftes Lenkrad, Cobra Rennsitze mit Schroth Gurten und ein Eigenbau-Käfig mit Flankenschutz sind die wichtigsten Accessoires in einem ziemlich spartanisch ausgerichteten Klassiker. Bemerkenswert ist das kleine Cockpit mit 8000er Drehzahlmesser und die fehlende Tankuhr. Und die braucht man nun wirklich nicht in einem „fränkischen BDA.“

Ford Escort 1 BDA-Nachbau, Baujahr 1972

MOTOR:  Reihenverzylinder 1993 ccm, ohc, K&N Filter, Weber 32/36 DGAV-Vergaser (RS2000), Kopf bearbeitet, HD-Ölpumpe, Big Pan Ölwanne, Facet Benzinpumpe, Cosworth Wasserpumpe, Mercedes Wasserkühler, Elektolüfter Escort III Turbo, 60 l Eigenbau-Edelstahltank, ca. 125 PS

AUSPUFF:  RS Fächerkrümmer, Eigenbauanlage 60mm Durchmesser, RS2000 Endtopf

GETRIEBE: 4-Gang Getriebe (Sierra I), Kardanwelle geändert wegen Capri 2,8 Hinterachse mit 25% Sperre

FAHRWERK:  Capri Federbeine mit aufgeschweißten Gewindeadaptern, Koni Golf II Dämpfer rot, Stabilisator 40mm Distanzscheiben (va) / Capri II Hinterachse (2,8) mit Pandardstab, Einblattfeder mit 2 Zoll Klötzen (ha)

BREMSEN:  Waagebalkenbremse (70:30), innenbelüftete und gelochte Scheiben 247/20 (Capri 2,8i) (va) / Scheiben Capri 2,8i (ha)

RÄDER:  3-teilige BBS Magnesium 9×13 Zoll ET -19 umlaufend mit 225/50 -13 Dunlop Sp2000

KAROSSERIE:  Racing Look ohne Stoßstangen, RS-Frontspoiler, Blech-Verbreiterungen, BDA Verstärkungsbleche an Dome, Spritzwände und B-Säulen, Golf I Scheinwerfer, eingespachtelter RS-Heckspoiler, Talbot Spiegel,

INTERIEUR:  36er AVO Lenkrad (tiefgekröpft), Cobra Rennsitze, Schroth Gurte, Eigenbau Käfig mit Flankenschutz, Kleines Cockpit mit Drehzahlmesser bis 8000, VDO Armaturen, keine Tankanzeige

fotografiert am 17. Juni 2006 beim Ford Treffen des Ford Team Oberpfalz. Text & Foto: Michael Kolb für Ford Drive 07-08/2007, Reloaded am 22.März 2021
….auf dem Parkplatz des ruhm- und glorreichen SV Poppenreuth

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