Reifen krallen sich in den Staub. Das weiße Monstrum wuchtet sich brachial vorwärts. Wie vor einem unsichtbaren Schneepflug zur Seite geschoben, flüchtet die Meute zurück in den Straßengraben. Lancia Delta Integrale, der sechsfache Rallye-Weltmeister begeistert die Massen. Die Erfolge dienen als verkaufsfördernde Maßnahmen. Heiko Birke zählt zu den aktiven Lancisti. Mit seinem getunten Delta Integrale 16V EVO III ist er seit 1998 Mitglied der Scuderia Germania.

Die Karriere des vierradgetriebenen Lancia Delta Integrale 16V Evo III war aus der Not geboren. Auf Grund tödlicher Unfälle legte man 1986 die Gruppe B Boliden auf Eis. Die Fiat Verantwortlichen beantworteten die Frage nach einem Nachfolger mit dem HF 4WD, aus dem der “trazione integrale” entstand.

Heikos Begeisterung für Lancia reicht zurück in das Jahr 1992, als sich Delta und Celica um den Titel der WRC balgen. Nach zwei 8V ist dieser EVO III ist sein dritter Delta Integrale. Auf dem Foto im Magazin “Volante Extra” zeigt sich der in Italien gebraucht gekaufte Wagen noch mit “Martini 5” und WRC Dekor. Eine Komplettlackierung in Bianco ließ Streifen und Schriften verschwinden, deren Wiederbeschaffung mit mindestens 700 DM angesetzt werden muss.

Das 1998 in Italien gekaufte Modell befand sich in einem schlechten Zustand, erinnert sich Heiko. Von Steinschlägen übersät und teilweise durchgerostet, dem rallyeerfahrenen Vorbesitzer schien der optische Zustand des Lancia vollkommen egal zu sein. Dafür hatte er dem ursprünglich 205 PS starken EVO mächtig Dampf eingeflößt. Mittels Chiptuning, erhöhtem Ladedruck und Ragazzon Auspuffanlage ohne Mitteltopf nagelt er satte 250 PS auf den Asphalt. Verstärkte Dichtungen, Kopfbolzen und Pleuellager mögen der gewachsenen Kraft widerstehen, die das Auto auf über 240 km/h Tachoanzeige vorwärts peitscht. Normalerweise befindet sich auf der rechten Motorseite ein Luftfilterkasten. Zur Vermeidung des Ansaugens von Warmluft wurde ein Pipercross-Filter und Pop-off Ventil eingebaut, das warme Luft ableitet und nur Frischluft ansaugen lässt. In den Genuss des Wassersacks aus der Homolegationsserie kamen nur sehr wenige 1992er Modelle, für Deutschland war er erst gar nicht vorgesehen. Ab 0,8 bar Ladedruck wird Wasser auf den Ladeluftkühler gespritzt, dessen 25 Liter Tank sich im Kofferraum befindet. Dies soll bei einer Abkühlung der Ansaugluft um 10 Grad eine 10-prozentige Leistungssteigerung bringen. Während kurzen Wertungsprüfungen ging man sogar einen Schritt weiter und ersetze Wasser durch Stickstoff.

Was die italienische Version außerdem als Vorteil aufweisen kann, nennt sich Klimaanlage. Ein kühler Kopf kann nicht schaden bei diesem heißen Renner. Die offiziellen Daten der EVO III Serie sprechen von einer 0-100 Beschleunigung von 5,7 Sekunden. Könnte Heikos Integrale frech grinsen, er würde es tun! Unter den Kästen rollen stilgerecht weißlackierte 7×15 Speedline Alus die mittels rundum aufgesteckten Scheiben 15mm Distanz zur Achse halten. Der satte Stand des Italieners wird durch eine dezente Tieferlegung von 40mm verstärkt. Federn aus H&R Produktion, gepaart mit gelben Konis gilt auch unter Italianos als beliebte, weil wirkungsvolle und zuverlässige Fahrwerksmodifikation.

Heiko lässt seinen Bianco ab und zu mal gerne fliegen. Kleinere Schäden wie gebrochene Distanzscheiben oder Zylinderkopfdichtung gehören zum Geschäft. Weiße Rosen aus Athen? No, weiße Tachofolien aus Milano leuchten hinter dem Momo Corse Volant. Sparco Sitze geben Seitenhalt, die selbst gebaute Schaltwegverkürzung lässt die Gänge noch schneller durchsortieren. Die sächsische Aussprache seines Vornamens ergibt den Hersteller des Überrollbügels: Heigo. Das Auswechseln von Verschleißteilen wird prinzipiell in Eigenregie durchgeführt. Außer Spureinstellen machen er und sein ebenfalls Integrale fahrender Kumpel Lutz in ihrer Garage alles selbst, da die offiziellen Werkstätten derartige Exoten nicht unbedingt zu ihrer Zielgruppe zählen. Selbst die Teile werden über Italiano Spezialisten Bielstein und KFZ Unger bei Köln bezogen.

Zu unserem Fototermin in Helmbrechts brachte Heiko seinen Kumpel “Shretter” nebst Freundin Stefanie mit. Wenn auch der Sinn und Zweck eines Integrale auf der Schotterpiste liegt – wir haben es ausprobiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass seine kompakten Kanten durchaus mit weiblichen Rundungen zu korrespondieren vermögen.

Lancia Delta Integrale  Evoluzione III, Baujahr 7/1992.

Reihenvierzylinder, 1995 ccm, 16V, Chiptuning, Ladedruck 1,2-1,5 bar,

Pipercross Luftfilter, Pop-off Ventil, Verstärkte Zylinderkopfdichtung, Kopfbolzen und Auspuffkrümmerdichtung, Gruppe N Pleuellager, Wassersack ohne Kat,  Ragazzon Auspuff ohne Mitteltopf, ca. 250 PS

Speedline 7×15 Zoll mit 15mm Distanzscheiben, 205/50ZR15 Dunlop S02 Pole Position

Koni gelb von außen verstellbar mit 40mm H&R Federn

Heigo Bügel, Momo Corse, Birke Schaltwegverkürzung, Sparco Sitze, weiße Tachofolie, Alarmanlage mit Fernbedienung

Stefanie war unser Fotomodel für die Autotuning
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